Bis an die Grenzen gegangen

Letzte Abendmusik zum Weihnachtsmarkt mit Kantor Rainer Noll


VIVALDI, Bach und Graap: Das Main-Barockorchester Frankfurt gab unter der Leitung von Kantor Rainer Noll ein stimmungsvolles Konzert in der St. Martinskirche. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Eine bewegende Arie aus dem „Deutschen Magnificat“ von Telemann, das „Weihnachtskonzert“ von Corelli und die Uraufführung einer Orgel-Choralsuite von Graap – die Abendmusik zum Weihnachtsmarkt war ein Fest für Freunde klassischer Musik. Rund hundert Zuhörer hatten sich zu dem knapp anderthalbstündigen Konzert in der evangelischen St. Martins-
kirche eingefunden und wurden nicht enttäuscht.

So hatte Kantor Rainer Noll, in dessen bewährten Händen die Leitung des Konzerts lag, mit dem Main-Barockorchester, der Heidelberger Sopranistin Eva Lebherz-Valentin und Martin Nitz (Blockflöte) aus Hamburg wieder hochkarätige Musiker für die Veranstaltung gewinnen können.
Mit der 31. Abendmusik geht auch eine kleine Ära zu Ende, denn es war die letzte Abendmusik, die Noll als Kantor der St. Martinsgemeinde leitete. Er hatte die Konzertreihe 1982 begründet. Im kommenden Frühjahr wird Rainer Noll nach 41 Jahren als Kantor der evangelischen Gemeinde und insgesamt 45-jährigem musikalischen Dienst in den Ruhestand gehen. Ein wenig Wehmut sei deshalb schon dabei, erklärte der scheidende Kantor.
Groß auf spielte das achtköpfige Orchester zu Beginn mit dem schwungvollen und heitere „Weihnachtskonzert“ von Arcangelo Corelli. Hier sorgten abwechselnd schnelle und langsame Sätze der Streicher und die abschließende Pastorale für Besinnlichkeit.
Begleitet von Blockflöte, Violine und Solo-Orgel sang Eva Lebherz-Valentin die bewegende Arie „Denn er hat seine elende Magd angesehen“ aus Georg Philipp Telemanns „Deutsches Magnificat“, einem vertonten Lobgesang der Maria aus dem Lukas-Evangelium. Ihre Stimmkraft bewies Lebherz-Valentin, die mit Rainer Noll seit 1995 bei zahlreichen Konzerten zusammengearbeitet hat, auch mit drei Arien aus Vivaldis „Magnificat“.
An der Blockflöte beeindruckte Martin Nitz, der mit seinem flott und virtuos vorgetragenen „Concerto G-dur“, ebenfalls von Vivaldi, die Zuhörer fesselte. Hätte es im Programmheft nicht die Bitte gegeben, von Zwischenapplaus abzusehen – ein tosender Applaus wäre spätestens hier angemessen gewesen.
Einen Kontrast zu den vom Orchester vorgetragenen Stücken bildeten die Choräle für die Orgel, vorgetragen von Rainer Noll selbst. Neben einer von getragener Stimmung geprägten Pastorale in vier Sätzen von Johann Sebastian Bach bot der Kantor mit der traditionell gehaltenen Choralsuite „Tröstet, tröstet, spricht der Herr“ des bei Berlin lebenden Komponisten Lothar Graap eine Uraufführung. Die Partita hatte der Komponist Rainer Noll gewidmet.
Wie es in Zukunft mit der Abendmusik zum Weihnachtsmarkt weitergeht, stehe in den Sternen, da nicht klar sei, ob die Stelle des Kantors wieder besetzt werde, erklärte Rainer Noll. Auch wenn er Wehmut empfinde, sei er doch auch froh aufzuhören. Die Organisation der Konzerte neben der eigentlichen Arbeit im Dekanat sei beinahe ein Ein-Mann-Unternehmen gewesen, so Noll. Er habe von dem Buchen der Solisten, der Ausarbeitung der Verträge bis hin zur Beschaffung der Noten, der Herstellung der Plakate und der Öffentlichkeitsarbeit alles alleine gemacht. „Das geht schon an die Grenzen der Kräfte“, erklärte der Kantor.
Leider sei die Resonanz bei den Kelsterbachern nicht so hoch, bedauerte Noll. Ohne die vielen Gästen von außerhalb – zur Weihnachtsmusik waren Zuhörer unter anderem aus der Eifel, Darmstadt und sogar aus Leipzig und Erfurt angereist – hätte die Konzertreihe nicht so lange Bestand gehabt und ohne die finanzielle Unterstützung durch die Stadt ebenfalls nicht. „Das ist großartig und ich bin der Stadt sehr dankbar“, sagte Noll.
Die letzte offizielle Musikveranstaltung mit Rainer Noll wird die Meditation zur Todesstunde Jesu am Karfreitag, dem 18. April, sein. Das Konzert mit Werken von Bach beginnt um 15 Uhr. (nad)

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