Gleichstellung lange nicht erreicht

Internationaler Frauentag: Vortrag über Wahlrecht und ein Fest im Kulturbahnhof

TANZEINLAGE beim Frauenfest im Kulturbahnhof: Anlässlich des Internationalen Frauentages wurde am Samstagabend gemeinsam gefeiert. (Foto: Dormehl)

Mörfelden-Walldorf. „Das Ringen um Gleichberechtigung und für eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen war anstrengend und zäh. Das ist es heute noch”, sagt die städtische Frauenbeauftragte Doris Schöneberger. Aus Anlass des Internationalen Frauentages organisierte sie am Wochenende in Kooperation mit dem Integrationsbüro und dem Kulturbahnhof gleich zwei Veranstaltungen. Am Samstagabend feierten rund 30 Frauen kulturübergreifend bei einer Wunschdisco im KuBa gemeinsam ihre Weiblichkeit, einen Tag zuvor gab es dort einen Vortragsabend.

Die Gleichstellung sei noch lange nicht erreicht, betonte Doris Schöneberger in ihrer Eröffnungsrede. Im Vergleich zu Männern würden Frauen häufiger im Niedriglohnsektor arbeiten, gerieten nach der Geburt ihrer Kinder in die Teilzeitfalle und hätten trotz gleicher Arbeit oft ein niedrigeres Einkommen. „Es gibt noch viel zu tun”, stellte Schöneberger fest. 
Verblüffend sei, dass Frauen in der Schweiz erst 1971 das Wahlrecht erhielten und noch mal 20 Jahre vergingen, bis es in allen Kantonen eingeführt wurde. Wie beschwerlich der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland gewesen ist, war Thema der Veranstaltung am Freitagabend. 
„War das deutsche Frauenwahlrecht ein Geschenk der Männer an die Frauen?”, fragte Gilla Dölle vom Archiv der deutschen Frauenbewegung provokant. In ihrem Vortrag unter der Überschrift „Auch wir wollen die Wahl haben!” gab sie einen geschichtlichen Überblick und stellte herausragende Frauenrechtlerinnen vor.
 Am 12. November 1918 erhielten die Frauen in der Weimarer Republik das Wahlrecht. Dieses Ereignis jährt sich dieses Jahr zum hundertsten Mal. Die Idee des Frauenwahlrechts wurde in der Französischen Revolution von 1789 mit dem Ruf nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit geboren. Dass die Brüderlichkeit Frauenrechte ausschloss, zeigte die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin” von Olympe de Gouges (1748 – 1793). Ihr Engagement für die Gleichberechtigung von Mann und Frau brachte sie aufs Schafott. 
Im 19. Jahrhundert gab es vereinzelt Frauen und Männer, die sich für ein Frauenwahlrecht stark machten. Im Jahr 1850 wurden erste Bestimmungen erlassen, die Frauen die Mitgliedschaft in politischen Vereinen und Verbänden ausdrücklich verboten. Frauen schrieb man damals eine verminderte Intelligenz sowie eine natürliche Bestimmung für den privaten Bereich zu.
Um 1900 kämpfte vor allem die SPD für das Wahlrecht der Frauen – allen voran Clara Zetkin. Sie forderte auf dem ersten internationalen Frauenkongress 1907 das allgemeine Frauenwahlrecht. Im deutschen Reich demonstrierten die Frauen friedlich für ihre Rechte. 1917 formierte sich der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht. 
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Ausrufung der Weimarer Republik hielt der Rat der Volksbeauftragten im Regierungsprogramm die Proklamation des Frauenwahlrechtes fest. Damit waren alle Frauen und Männer ab 20 Jahren wahlberechtigt. 
Am 19. Januar 1919 konnten Frauen zum ersten Mal an die Wahlurnen und ihre Stimme abgeben. 300 Frauen kandidierten für die Nationalversammlung, 37 Frauen wurden schließlich gewählt. „Ich glaube sagen zu dürfen, dass wir besser für Sie vorbereitet sind, als vielleicht die meisten von Ihnen glauben“, sagte Marianne Weber als erste Frau bei der konstituierenden Sitzung zu ihren männlichen Kollegen. 
Unter den Nationalsozialisten wurde den Frauen das passive Wahlrecht entzogen, da die Rolle als Hausfrau und Mutter im Vordergrund stand. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in der BRD und der DDR das aktive und passive Wahlrecht für Frauen wieder eingeführt. Während die DDR das Frauenwahlrecht einfach in ihrer Verfassung übernahm, musste die Juristin Elisabeth Selbert in der BRD um die genaue Formulierung des Artikel 3 des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, kämpfen. 
„Wir können stolz auf diese Frauen sein, die für unser Recht gekämpft haben und sind es ihnen schuldig, dass wir weiter für Gleichberechtigung einstehen”, sagte Doris Schöneberger. (dor)

 

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