Zwölf Stunden im Kessel gerührt

Kinder, Eltern und Erzieher der Kita IX kochten zusammen Latweje

IM KUPFERKESSEL rührte Goran Gojov (rechts) mit dem „Faulenzer“ – einem hölzernen Rührer – die Latweje um. Einen Tag lang köchelten die Früchte über dem Feuer, dann wurde der süße Brotaufstrich zum Abschluss des Latweje-Festes in Gläser abgefüllt. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Einmal im Jahr wird in der Kindertagsstätte IX in der Okrifteler Straße der Kupferkessel hervorgeholt und mit Zwetschgen gefüllt. Dann stellen die Kinder, Erzieher und Eltern gemeinsam auf traditionelle Weise die südhessische Spezialität Latweje her. Rund zwölf Stunden muss die fruchtige Masse umgerührt werden. Anschließend wird das Pflaumenmus in Gläser abgefüllt und als leckerer Brotaufstrich in der Adventszeit auf dem Walldorfer Wochenmarkt verkauft.

Schon morgens gegen sechs Uhr wurde das Feuer unter dem Kessel angezündet. Über den ganzen Tag ließ sich verfolgen, wie die entkernten Zwetschgen ihre Farbe und Konsistenz veränderten. „Wenn man es auf einen Teller macht, und es nicht mehr runter läuft, dann ist es fertig“, erklärte Erzieher Thomas Fink. 
Mit einem hölzernen Rührer – dem sogenannten „Faulenzer“ – war Vater Goran Gojov fleißig am Rühren und sorgte so dafür, dass nichts anbrannte. Aus Mazedonien kenne er diese Art des Einkochens. Dass Latweje aber rund zwölf Stunden braucht, darüber war er doch etwas überrascht. „In der Zeit machen wir zuhause drei oder vier Kessel mit Feigen oder Trauben“, so Gojov.
Aber gerade die lange Dauer des Köchelns macht die regionalen Spezialität zu etwas ganz Besonderem. Durch das Köcheln bleiben von den 90 Kilogramm Zwetschgen am Ende nur etwa die Hälfte übrig. Thomas Fink legte immer wieder Holz nach. Während das Mus Schritt für Schritt eindickte, kamen Zimt, Sternanis und brauner Kandiszucker dazu.
Das genaue Prozedere für die Zubereitung des leckeren Brotaufstrichs brachte die frühere Köchin Anita Schulmeyer mit in die Kita. Mittlerweile ist sie in Rente, den rötlichen Kessel hat sie aber als Dauerleihgabe dort gelassen. So können die Kinder hautnah die traditionelle Herstellung erleben und Latweje für sich entdecken.
Manche kennen den Aufstrich aber sogar von zu Hause. „Ich kannte Latweje von meinem Opa“, sagte Oscar, der schon mehrfach beim jährlichen Latweje-Fest dabei war. Zusammen mit den anderen Kindern hat er in den Tagen vor dem Fest geholfen, die Zwetschgen zu entkernen. Schließlich wurden sie noch zerkleinert und landeten dann in dem Kessel über dem Feuer.
Beim abendlichen Abfüllen des Pflaumenmus’ waren wie schon beim Rühren die Eltern gefragt. Bis zu 150 Gläser kämen zusammen, sagte Fink. Ein Teil davon wird auf dem Wochenmarkt verkauft, einige Gläser bleiben aber natürlich für die Kinder in der Kita. Mit Pfannkuchen oder Liwanzen probieren sie dann ihre eigene Latweje.
Dabei variiert der Geschmack immer ein wenig. Ausschlaggebend ist vor allem der Zeitpunkt der Ernte. „Hier kann eine Woche ausschlaggebend sein“, weiß Fink. Denn mitentscheidend ist, wie viel Fruchtzucker sich schon gebildet hat. Wer wissen möchte, wie die Latweje in diesem Jahr schmeckt, muss noch bis zur Adventszeit warten. Ab dem 1. Dezember ist die Kita an drei Donnerstagen auf dem Walldorfer Wochenmarkt und verkauft den selbst gemachten Brotaufstrich. (seb)

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