Neuwaren allerdings sind tabu

Trödelmarkt auf dem Walldorfer Festplatz setzt seit 20 Jahren auf Gebrauchtes

Von Anfang an dabei: Rita Pfuhl (grüne Jacke) im Gespräch mit der Kundschaft. (Foto: A. Keim)

Mörfelden-Walldorf. „Es ist wie eine schlechte Angewohnheit“, meinte Viola Schulze lachend, während sie recht zufrieden die Augen über die Stände „ihres“ Trödelmarktes schweifen ließ. Seit nunmehr 20 Jahren organisiert die 49-Jährige regelmäßig einmal im Monat samstags den Flohmarkt auf dem Walldorfer Festplatz. Neulinge warnt sie stets vor: „Ich sage immer, überlegt euch das, das macht süchtig“, erzählt sie verschmitzt lächelnd.

Viola Schulze muss es wissen, denn sie selbst verkauft Trödel seit sie vierzehn Jahre alt war – anfangs allerdings nur gelegentlich. Zunächst lernte sie Tierarzthelferin und arbeitete auch in diesem Beruf. „Dann wollte ich aber mal was anderes machen“, berichtet sie weiter. Nach einer dreijährigen Zwischenstation im Hotelservice fasste sie sich ein Herz und machte ihre Leidenschaft zum Beruf. Sie rief ihren ersten Trödelmarkt in Frankfurt/Eschersheim ins Leben. Ein weiterer folgte in Erlensee und schließlich der in Walldorf.
Hier treffen sich seit 20 Jahren Stammverkäufer ebenso wie spontane Kellerausräumer. Die Kundschaft freut es – schließlich gibt es auf diese Weise immer wieder neu bestückte Verkaufstische, an denen nach Herzenslust gestöbert werden darf.
Von Anfang an dabei ist Rita Pfuhl. „Im Schnee bis an die Knie haben wir schon hier gestanden“, erzählte sie, ohne dabei ihren Stand aus den Augen zu lassen. Nach Walldorf kommt sie gerne. „Hier kennt man die Leute, es ist familiär, manchmal backe ich sogar Plätzchen für die anderen“, so Rita Pfuhl weiter. Dennoch sei es früher besser gelaufen, als die Amerikaner noch da gewesen seien, die hätten immer viel gekauft. Aber, man wisse sich ja zu helfen. „Man muss immer verschiedene Sachen dabei haben und darf nicht immer das Gleiche mitbringen, das merken sich die Leute“, riet sie.
Auch Ursel Herrmann ist schon viele Jahre Verkäuferin auf dem Trödelmarkt. Die Walldorferin baut ihre Tische nur ein- bis zweimal im Jahr auf dem Festplatz auf, ist aber stets begeistert. „Es gibt immer was zu verkaufen, aber auch immer was zum Kaufen“, meinte sie schmunzelnd.
Und wirklich – fündig zu werden ist auf dem Walldorfer Trödelmarkt keine Kunst: Dank einiger weniger kostbarer Sonnenstrahlen gab es zum 20. Geburtstag rund 50 Stände auf dem Festplatz. Gleich am ersten Stand lugte eine alte Vinylsingle von Neil Diamond aus einem Karton heraus, während ein Stück weiter weg ein vollautomatisches Fußbad auf einen neuen Besitzer wartete. Lesefreunde freuten sich über unzählige gebrauchte Bücher, dazu gab es Handtücher zu kaufen, selbst gekochte Marmeladen, eine alte Gitarre, Klamotten und vieles mehr.
Viola Schulze lässt nur Händler mit Dingen aus dem eigenen Haushalt zu, Neuwaren sind tabu. Das glaubt sie, ist einer der Gründe, die den Charme des Trödelmarktes ausmachen. „Gerade deshalb kommen die Leute hierher“, ist sie überzeugt. Hinzu komme neben der günstigen Standgebühr natürlich auch die freundliche Betreuung. Längst verkauft Viola Schulze nicht mehr selbst, sie organisiert nur noch. Sie mietet den Platz, sorgt für Hinweisschilder und saubere Toiletten, beantwortet gerne alle Fragen und ist für „ihre Leute“ da. Sogar einen Stand mit frischem Kaffee, leckeren Fischbrötchen oder Pommes organisiert sie regelmäßig.
Anlässlich des 20. Geburtstages gab es an diesem Samstag zudem noch eine große Tombola mit vielen Preisen. Und noch bevor das Gespräch mit der Presse zu Ende war, wurde die Organisatorin auch schon wieder weggerufen. Jemand hatte die Einfahrt zugeparkt, da musste die Chefin her. (ake)

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