Neubau in einem sensiblen Bereich

Ärger vorprogrammiert? - Wohnhaus mit Tiefgarage wird direkt an Kirchplatz angrenzen

ÜBER DEN WEG neben der alten Waldenserkirche wird die Zufahrt zum neuen Wohnhaus erfolgen. Das sorgt schon jetzt für Diskussionsstoff. (Foto: A. Keim)

Mörfelden-Walldorf. „Wohnen im historischen Stadtkern von Walldorf“ – so wird eine Immobilie im Internet beworben, die schon vor ihrem Bau für einige Aufregung sorgt. Gemeint ist ein in Planung befindliches Wohnhaus mit sechs Einheiten und einer Tiefgarage. An sich nichts Besonderes, nur ist das Haus direkt auf dem zweigeteilten Nachbargrundstück des evangelischen Kirchplatzes und der Waldenserkirche geplant, mit Zugang von der Langstraße aus.

„Ich bin persönlich tief erschüttert, dass so etwas kommen kann. Niemals hätte ich gedacht, dass jemand in einem so sensiblen Bereich auf die Idee kommt, solch einen Klotz hinzustellen“, sagt Erwin Pons von der Arbeitsgemeinschaft für Walldorfer Geschichte. Er habe erstmals in der Adventszeit im Gespräch mit Bürgermeister Becker von dem Bauvorhaben erfahren.
Besonders moniert Pons, dass besagtes Grundstück bis zur äußersten Grenze für den Neubau ausgenutzt werden soll. Hierbei hat der Walldorfer Heimatforscher insbesondere das angrenzende Gässchen und den Kirchplatz im Blick, die gemäß seiner Aussage beide einigen historischen Hintergrund aufzuweisen haben, zu dem die Arbeitsgemeinschaft lange recherchiert habe.
Erwin Pons sieht hier eine vertane Chance, das Stadtbild aufzuwerten und statt eines weiteren Neubaus eine Ruhezone rund um den Kirchplatz einzurichten. Schließlich gebe es im Walldorfer Stadtkern nur zwei schöne Plätze, zum einen den Museumsplatz und eben den Kirchplatz. Besonders verärgert ist der Walldorfer darüber, dass im Vorfeld der Planungen mit niemandem darüber gesprochen worden sei, gerade auch mit Blick auf die städtische Aktion „Aktive Kernbereiche“.
„Eine Verschönerung des Stadtkerns sieht anders aus. Ich halte das persönlich für so unsensibel wie es nur geht, auch wenn der Bau rechtlich nicht anfechtbar ist“, moniert er. Hier hätten sich im Vorfeld Eigentümer, Stadt und Betroffene zusammensetzen können, findet Pons. Er befürchtet zudem Konflikte zwischen den künftigen Bewohnern des Hauses und den Nutzern des Kirchplatzes. Schließlich seien dort über das Jahr verteilt mehrere Feste geplant.
„Da ist Ärger vorprogrammiert“, befürchtet auch Angelika Menzel, die Vorsitzende der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf. Ihr seien gerade von alten Walldorfern schon verschiedene Klagen wegen des geplanten Neubaus zugetragen worden. Auch sie fürchtet, dass sich die neuen Anwohner beschweren könnten, wegen der verschiedenen Festivitäten oder des regelmäßigen Glockengeläuts.
Diese Bedenken teilt Bauherr Andreas Teutsch nicht. Ein Großteil der Eigentumswohnungen sei bereits verkauft, und die künftigen Anwohner wüssten, dass es hier auch mal lauter zugehen könne. Das Haus werde zudem wie im Bebauungsplan vorgesehen gebaut und dem Umgebungsbild angepasst.
„Ich verstehe die Aufregung nicht, es ist eine positive Belebung, eine Verbesserung“, findet Teutsch. Zudem seien ihm persönlich bisher noch keinerlei Klagen wegen des Neubaus zugetragen worden. „Aber wir sind es gewohnt, wir haben noch nie erlebt, dass niemand was zu einem Bauvorhaben sagt oder jedem alles gefällt“, so der Bauherr. Der Baubeginn für das neue Haus sei für April vorgesehen. Möglichst Ende des Jahres wolle man fertig sein.
Bürgermeister Heinz-Peter Becker betonte auf Anfrage des Freitags-Anzeiger, dass die Abgrenzung des Kirchplatzes auf jeden Fall erhalten bleibe. Der Pfosten am Zugang von der Langstraße aus werde auch weiterhin die Einfahrt von Autos verhindern, und weitere Zugänge zum Kirchplatz seien nicht vorgesehen. Gleichwohl habe der städtische Bauausschuss aber der geplanten Tiefgarage für den Neubau und ihrer verkehrlichen Erschließung zugestimmt. Die Einfahrt erfolgt von der Langstraße und befindet sich noch vor dem Sperrpfosten.
Ansonsten habe die Stadt keinerlei Einfluss auf die Bebauung des Grundstücks, da sie nicht Eigentümerin sei. „Ich sehe es nicht so wie Herr Pons, irgendwo müssen die Menschen ja auch wohnen. Zudem hat der Investor einen ansprechenden Entwurf vorgelegt, sonst hätte der Bauausschuss sicherlich nicht zugestimmt“, so der Bürgermeister. Trotzdem habe er dem Investor geraten, auf die Nachbarn zuzugehen und das Gespräch zu suchen. Rein rechtlich sei allerdings keine Beteiligung der Anrainer nötig, hier gebe es keinerlei Verpflichtung.
In Bezug auf eine Aufwertung des Stadtkerns hat Heinz-Peter Becker die alte Waldenser-Schule und den dort geplanten Neubau im Blick. „Wenn es da losgeht werden wir uns Gedanken machen, das wird unsere Baustelle sein“, so der Bürgermeister. (ake)

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