Gesellschaftliches Umdenken gefordert

Pflanzaktion: SDW-Kreisverband macht auf dramatischen Waldzustand aufmerksam

Unter professioneller Anleitung von Christian Kehrenberg (Mitte) wurden von den Kindern und Jugendlichen viele Eichen-Wildlinge am Forsthaus Rudolphsruh gepflanzt. (Foto: Koch)

 

Kreis Groß-Gerau/Mörfelden-Walldorf (ako). Reges Treiben herrschte am vergangenen Samstag rund um das Forsthaus Rudolphsruh im Mörfelder Wald. Der Kreisverband Groß-Gerau der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) hatte eine große Pflanzaktion organisiert. Mit dabei: Die „Waldfüchse“, die Kinder- und Jugendgruppe der SDW. 

„Derzeit haben wir im Kreisverband Groß-Gerau 14 aktive Waldfüchse“, freut sich die SDW-Kreisvorsitzende Christine Schneider. Den Vorsitz teilt sie sich mit Christian Kehrenberg in einer Doppelspitze. Neben seinem ehrenamtlichen Engagement für die SDW hat Kehrenberg auch hauptberuflich viel mit Bäumen zu tun, denn er ist Forstingenieur. Somit hatten die Waldfüchse bei ihrer Pflanzaktion, bei der zahlreiche Erwachsene aus den Reihen der SDW mithalfen, professionelle Anleitung. Rund um das Forsthaus wurden zahlreiche Eichen-Wildlinge gesetzt. Wie in vielen anderen Arealen ist der Wald auch hier schwer geschädigt. Trockenheit, mehrere extrem heiße Sommer von 2018 bis 2020, Engerlinge und die Fallböe 2019 haben ihm schwer zugesetzt. Viele Bäume sind abgestorben oder umgeworfen worden, andere sind stark angeschlagen.

Im Rhein-Main-Gebiet ist die Lage nochmal deutlich schlimmer

Kehrenberg hält daher Baumpflanzaktionen wie am vergangenen Samstag für wichtig, aber für bei Weitem nicht ausreichend. Er hat deshalb in seiner Funktion als SDW-Kreisvorsitzender einen „Weckruf“ verfasst, der sich an die Öffentlichkeit richtet und auf den dramatischen Zustand des Waldes, insbesondere im Rhein-Main-Gebiet, hinweist. Kürzlich hat sich Kehrenberg intensiv mit dem jüngsten Waldzustandsbericht des Landes Hessen auseinandergesetzt. Dieser weist allgemein große Schäden für den hessischen Wald aus. „Im Rhein-Main-Gebiet ist die Lage aber nochmal deutlich schlimmer“, betont er. Hierfür seien viele Faktoren verantwortlich, etwa ein niedriger Grundwasserspiegel sowie das regionale Klima vor Ort. So sei das Rhein-Main-Gebiet eine der wärmsten und gleichzeitig niederschlagsärmsten Regionen Deutschlands. Die Bäume seien allgemein besonders durch die extrem heißen Sommer stark geschwächt. Das relativ regenreiche Jahr 2021 habe dies nicht kompensieren können. „Es verhält sich wie bei einer schweren Erkrankung eines Menschen; auch wir sind im Anschluss nicht wieder sofort voll belastbar“, erläutert Kehrenberg. Daher hätten viele Bäume gegen Engerlinge, Pilzbefall oder diverse Krankheiten keine Abwehrkräfte mehr. Hinzu kämen noch die Bäume, die Unwetter nicht überstanden hätten. Jeder abgestorbene oder umgeworfene Baum würde es zudem für den Nachbarbaum schwerer machen. Je weniger Bäume, umso mehr heize sich der Wald auf. Dies wiederum würden dann die noch überlebenden Bäume oft nicht überstehen. „Laut Waldzustandsbericht weisen daher inzwischen zwei von fünf Bäumen im Rhein-Main-Gebiet Lücken im Kronendach auf.“ Dies liege weit über dem Durchschnittswert in Hessen. 

Zu viel Flächenversiegelung, Überdüngung und hohe Stickstoffmengen im Boden

Angesichts dieser negativen Bestandsaufnahme fordert Kehrenberg unbedingt ein gesellschaftliches Umdenken. „Im Rhein-Main-Gebiet werden viel zu viele Flächen versiegelt.“ Dem würden auch regelmäßig Bäume zum Opfer fallen, ob nun für Straßen, den Frankfurter Flughafen, Logistikzentren, den Kiesabbau oder neue Wohngebiete. Auch die Überdüngung der Landschaft würde zum katastrophalen Zustand des Waldes beitragen. Hohe Stickstoffmengen im Boden würden gerade die Feinwurzeln der Eiche schädigen. Der Baum werde so geschwächt und sei dann anfälliger für Pilze und Schadinsekten. Die Rettung des Waldes fange bei jedem einzelnen Bürger an. „Wir müssen unsere alltägliche Lebensweise grundlegend hinterfragen und diese umstellen.“ Diese gelte beim täglichen Einkauf, der Urlaubsplanung, der Wahl des Verkehrsmittels und bei vielem mehr. Jeder Mensch müsse sich klarmachen, wie wichtig der Wald sei. „Er ist für uns Erholungsort, Lärmschutz und ein Kaltluftspender für unsere überhitzten Siedlungen.“ Darüber hinaus sei er natürlich für das Weltklima sowie für den Wasser- und Bodenschutz essenziell. Zudem sei der Wald ein wichtiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen.
Tragisch sei, dass sein großer Wert oft erst dann erkannt werde, wenn er nicht mehr da sei. Kehrenberg und die SDW setzen sich dafür ein, dass es nicht so weit kommt. „Wenn uns wirklich daran gelegen ist, unseren Wald, das ganze Rhein-Main-Gebiet, das Land und den Rest der Welt für unsere Folgegenerationen in eine sichere und lebenswerte Zukunft zu führen, müssen wir jetzt aktiv werden. Wir haben es jetzt in der Hand“, appelliert Kehrenberg an die Öffentlichkeit. 

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