Pferd statt Maschine

Im Stadtwald kommt das flämische Kaltblut Lena zum Einsatz

PFERD UNTERWEGS: Umweltschonend wird derzeit im Kelsterbacher Stadtwald gearbeitet. Rückepferd Lena, ein achtjähriges flämisches Kaltblut und speziell für diese Zwecke trainiert, zieht die gefällten Baumstämme aus dem Wald. (nad/Foto: Scherer)

Kelsterbach. Zu hören ist – nichts. Kein Lärm, keine laute Maschine, die im Minutentakt Bäume fällt und Holz zuschneidet. Nur das Gezwitscher der Vögel im Wald und die kurzen Rufe von Ralf Zauner, der seinem Pferd Lena Kommandos gibt. Elegant bahnt sich das imposante 950 Kilo schwere Tier seinen Weg durch den Wald. An einer Forstkette zieht das achtjährige flämische Kaltblut einige etwa sechs Meter lange Baumstämme hinter sich her. An der Schneise angekommen, wo bereits zahlreiche Baumstämme liegen, hält das Pferd an. „Ein Schritt zurück“, ruft Ralf Zauner und Lena gehorcht aufs Wort.

Im Kelsterbacher Waldabteil 34a4, eher bekannt als alte Deponie, werden derzeit Pflegerückstände aufgeholt. Doch statt auf große Harvester und Seilschlepper setzt die Stadt lieber auf ein beinahe ausgestorbenes Handwerk: Die Holzernte mit einem Rückepferd.
Nachdem es bereits im vorigen Jahr einen Testlauf gegeben hatte, gab es nun grünes Licht für diese traditionelle Form der Waldbewirtschaftung. Doch auch Kostengründe haben bei der Entscheidung eine Rolle gespielt. Denn Lena ist günstiger als ein Harvester und schont dabei noch die Umwelt.
Laut dem von der Stadt beauftragten Forstassessor Martin Klepper handelt es sich bei dem Waldstück um einen 46-jährigen Roteichenbestand, der zu dicht bewachsen ist und viel Totholz enthält. „Das Schlimmste wäre jedoch, zu stark einzugreifen, um die Pflegerückstände aufzuholen“, so Klepper. Denn dann würden die verbliebenen Roteichen zu viel Licht bekommen, nach unten austreiben und sogenannte Wasserreiser entwickeln.
Für den geringen Holzanfall lohnt sich laut Klepper der Einsatz von Harvestern finanziell nicht, allein für die Anfahrt der Maschinen sind schnell über 400 Euro fällig, plus 120 Euro pro Arbeitsstunde. Mit dem Rückepferd hingegen gehe die Rechnung durch den anschließenden Holzverkauf auf Null, sagt Klepper.
Im Gegensatz zu den Maschinen, die neben den bestehenden Bäumen auch die Waldfläche nachhaltig schädigen, hinterlassen Rückepferde keine Spuren. Es gebe keine Wurzelschäden und Bodenverdichtung, auch das Wasser könne besser ablaufen, erklärt Ralf Zauner, während er sich und Lena eine Pause gönnt. Rund 25 Gänge schafft Lena in der Stunde, bis zu 140 Kilo beträgt die Zuglast. Etwa sechs Stunden pro Tag arbeiten Tier und Mensch im Einklang. „Und meistens bin ich eher müde als sie“, sagt Zauner.
Zunächst arbeitete Zauner in die IT-Branche. Glücklich machte ihn der Job nicht, also kündigte er, kaufte sich zwei Pferde und gründete eine Fuhrhalterei. Zudem verbrachte er zwei Jahre in den USA bei den Amish-People, von denen er sein Pferdegeschirr bezieht. Seit 2009 arbeitet der Florstädter mit Rückepferden.
Laut Zauner gibt es in Hessen derzeit drei hauptberufliche Rücker, dabei hätte das Land ein Potential für 650 Rücker. Denn mittlerweile denken viele um und setzen auf Pferde statt auf Maschinen. Ein Seilschlepper verbrauche am Tag etwa 30 Liter Diesel.
Im Gegensatz zum Pferd hätten die Maschinen vor allem durch den milden Winter mit dem aufgeweichten Boden zu kämpfen, erklärt Zauner.
Bei den Spaziergängern komme Lena gut an. Das Pferd sei Sympathieträger, weil es im Gegensatz zu Maschinen ruhig arbeite. Aber auch die alte Tradition werde von den Menschen geschätzt, freut sich Zauner. Die Entscheidung – IT gegen Wald – hat er nie bereut. Wenn er am Abend sehe, was er und das Pferd im Wald geschafft haben, sei er glücklich, so der Florstädter. (nad)

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