Jeder Handgriff muss sitzen

Feuerwehr probt mit Abschlussübung den Ernstfall – Jugend zeigt Löschangriff

NUR EINE ÜBUNG: Am Fachmarktzentrum demonstrierte die Feuerwehr vor den Augen zahlreicher Bürger die Personenrettung aus einem Unfallfahrzeug, das zuvor mit hydraulischen Rettungsgeräten geöffnet worden war. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Schwerer Verkehrsunfall am Fachmarktzentrum! Ein Pkw steht mitten auf der Straße, in dem Fahrzeug befindet sich eine verletzte Person, um das Auto herum haben sich viele Schaulustige versammelt. Von weitem ist die Sirene zu hören, kurz darauf treffen die Fahrzeuge der Feuerwehr mit Blaulicht und Martinshorn am Unfallort ein.

Doch keine Sorge – der Unfall war geplant, der Pkw ohnehin für die Verschrottung vorgesehen und die eingeklemmte Person eine Puppe. Auch die Schaulustigen waren ausnahmsweise erwünscht, denn die Freiwillige Feuerwehr absolvierte ihre alljährliche Abschlussübung.
Zahlreiche interessierte Bürger verfolgten die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer, die für die Großübung verschiedene Einsatzszenarien vorbereitet hatte. Rund 30 Einsatzkräfte – etwa die Hälfte der derzeit aktiven Feuerwehrmänner und -frauen – nahmen an der Abschlussübung teil. Auch die Jugendwehr, die aktuell 16 Mitglieder, darunter vier Mädchen zählt, zeigte bei einem Löschangriff, was sie das ganze Jahr über gelernt hatte.
Den Anfang machte die Einsatzabteilung, die einen Löschangriff mit Personenrettung auf dem Hof des Feuerwehrhauses demonstrierte. Zum Einsatz kamen vier Fahrzeuge, darunter auch die Drehleiter. Die Brandbekämpfung mit Menschenrettung ist laut Stadtbrandinspektor Thomas Heller Übungsstandard. Bei den ehrenamtlichen Helfern muss im Ernstfall jeder Handgriff sitzen. Dass bei der Übung gleich 22 Helfer an Ort und Stelle sind, sei eigentlich ein Luxus, denn die Helfer rückten sonst zeitversetzt an. „Bei einer freiwilligen Feuerwehr hat man das Problem, dass man zunächst nur eine überschaubare Zahl an Helfern hat und erst später alle Helfer vor Ort einteilen kann“, erklärte der Stadtbrandinspektor.
Denn bis auf die beiden hauptamtlichen Gerätewarte sowie einen FSJler, die im Feuerwehrhaus arbeiten, sind die Einsatzkräfte tagsüber an ihren Arbeitsplätzen. Aktuell kann die Wehr tagsüber auf 14 Feuerwehrleute zurückgreifen. Werden sie alarmiert, müssen sie innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von zehn Minuten – inklusive Zwischenstopp am Feuerwehrhaus – am Einsatzort sein und wirksame Hilfe eingeleitet haben.
Aus der Übung kommt die Feuerwehr nicht, die Einsatzkräfte wurden in diesem Jahr bisher zu 105 Einsätzen gerufen. Darunter waren laut Thomas Heller einige Fehlalarmierungen aber auch ungewöhnlich viele Fälle von Flächenbränden. Zudem wurden die Helfer zu zwei schweren Verkehrsfällen gerufen, außerdem halfen die Einsatzkräfte beim Aufbau der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Biebesheim.
Dass sich die Wehr auf den eigenen Nachwuchs verlassen kann, demonstrierte die Jugendwehr mit ihrem fehlerfreien Löschangriff. Innerhalb kürzester Zeit löschten die Mädchen und Jungen eine für die Übung in Brand gesteckte Gartenhütte auf dem Hof.
Aus der eigenen Jugend kommen auch die meisten Aktiven. In diesem Jahr konnten sieben Jugendliche in die Einsatzabteilung übernommen werden.
Den Abschluss bildete die Übung am Fachmarktzentrum. Hier zeigten die Einsatzkräfte mit hydraulischen Rettungsspreizern und -scheren, wie das „Unfallauto“ geöffnet und das Dach abgetrennt wird, um Opfer schließlich patientenschonend zu retten. Die Technik der Feuerwehren müsse immer Schritt mit der Entwicklung der Pkw halten, da diese immer stabiler gebaut würden, erklärte Heller.
Der Stadtbrandinspektor warb außerdem um Verständnis dafür, dass die Einsatzkräfte auch nachts mit Blaulicht und Sirene zum Unfallort fahren. Das tue man nicht, um die Leute absichtlich aus dem Schlaf zu reißen. Die Helfer müssten jedoch sicher an den Einsatzort gelangen. Ist die Sirene ausgeschaltet und passiere dann ein Unfall, habe das der Helfer zu verantworten erklärte Heller.
Dass die Retter gerade auf Autobahnen durch unvorsichtige Verkehrsteilnehmer oft selbst gefährdet sind, zeigte im August der Unfall auf der A 3 bei Obertshausen, bei dem ein Lkw in die gesicherte Unfallstelle gerast war und unter anderem ein Feuerwehrauto umgeworfen hatte. Ein Feuerwehrmann musste von den Kameraden aus dem Auto befreit werden. Deswegen dient laut Thomas Heller eines der ausrückenden Tanklöschfahrzeuge am Ende der Unfallstelle immer als Puffer für die Helfer.
Applaus gab es für die Feuerwehr am Ende der Übung von den Zuschauern. Mit der Abschlussübung könne man auch ein wenig für die ehrenamtliche Arbeit werben und vielleicht überdenke der ein andere, ob er sich engagiere, so Heller. Lob gab es auch von Bürgermeister Manfred Ockel für die Motivation der Helfer, die das ganze Jahr über Tag und Nacht Einsatzbereitschaft zeigten. Alle aktiven Helfer und Mitglieder der Feuerwehr trafen sich abschließend zu ihrem Kameradschaftsabend im Feuerwehrhaus. (nad)

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