Drei Parlamente erstmals vereint

Stadtverordnete aus Kelsterbach, Rüsselsheim und Raunheim tagen gemeinsam

ERSTMALS tagten die Kelsterbacher Stadtverordneten mit ihren Kollegen aus Rüsselsheim und Raunheim im Ratssaal in Rüsselsheim gemeinsam. (Foto: Scherer)

Rüsselsheim. „Heute ist ein außergewöhnlicher Tag in der Geschichte der Städte“, erklärte der Stadtverordnetenvorsteher der Stadt Rüsselsheim, Heinz Schneider (CDU), feierlich im Rüsselsheimer Ratssaal. Dort hatten sich am Freitagabend rund 150 Stadtverordnete, Magistratsmitglieder und einige Bürger aus den Städten Raunheim, Rüsselsheim und Kelsterbach zur ersten gemeinsamen Parlamentssitzung versammelt. Und am Ende der knapp zweistündigen Sitzung wurde sogar einstimmig ein gemeinsamer Grundsatzbeschluss zur interkommunalen Zusammenarbeit (siehe eigenen Bericht im Kelsterbacher Teil) verabschiedet.

Trotz aller Individualität sei es unerlässlich, dass man im Interesse der Bürger gemeinsam handle, erklärte Schneider. Die Intensivierung der Zusammenarbeit und die Nutzung von Synergieeffekten sei ein Baustein für die interkommunale Zukunft. Diese Zusammenarbeit sei ein Vorbild für die Mainschiene, die Region und das Land Hessen, betonte Schneider.
Auch die Stadtverordnetenvorsteherinnen aus Raunheim und Kelsterbach, Heike Blaum und Helga Oehne, nannten die Zusammenarbeit ein „Novum für alle“ und zeigten sich erfreut, für ihre Heimatstadt daran mitarbeiten zu dürfen.
Die drei Kommunen arbeiteten schon seit einigen Jahren zusammen, dieser Schritt sei nun die logische Schlussfolgerung, wenn man sich die Gemeinsamkeiten der Städte anschaue, sagte Rüsselsheims Oberbürgermeister Patrick Burghardt (CDU). Mit der Ölhafenbrücke am Mainufer zwischen Raunheim und Kelsterbach und dem geplanten neuen Opelsteg, der die letzte Lücke der Mainroute schließen soll, haben die Kommunen vor allem gemeinsame Bauprojekte auf den Weg gebracht.
Vor allem in Rüsselsheim würden viele denken, man habe dadurch ja nur Ausgaben, so Burghardt. Ursprung der interkommunalen Zusammenarbeit sei aber im Gegenteil das Einsparen von Ressourcen und Geld, indem man auf Verwaltungsebene schaue, welche Dienstleistungen man gemeinsam anbieten könne, so Burghardt. Auch in Sachen Wirtschaftsförderung wolle man sich gemeinsam als „Tor zum Rhein-Main-Gebiet“ vermarkten.
Als „Meilenstein“ bezeichnete Kelsterbachs Bürgermeister Manfred Ockel (SPD) die gemeinsame Sitzung und nannte mit dem Regionalparkweg und der Energie-Bürgergenossenschaft bereist laufende gemeinsame Projekte. „Wenn es nach mir ginge, könnten wir jedes Jahr so eine Sitzung machen. Das mit dem gemeinsamen Parlament könnte eine wichtige Tradition werden“, erklärte Ockel unter dem Beifall des Auditoriums.
Die im Mai eröffnete Ölhafenbrücke sei einzigartig und ein Projekt, das alle drei Städte verbinde. „Das schönste ist eigentlich, dass die Menschen sagen, sie seien zum ersten Mal von Kelsterbach nach Raunheim oder umgekehrt gefahren“, freute sich der Kelsterbacher Rathauschef. Ockel warb vor allem unter den Rüsselsheimern für einen Umbau des Opelstegs. Er wisse, dass in der Opelstadt jeder Euro weh tue, aber durch Nichtstun werde sich auch nichts ändern.
„Es lohnt sich, in die Freizeit- und Kulturmeile zu investieren“, betonte Ockel, der darauf verwies, dass ein Großteil der Kosten geteilt und durch Fördermittel abgedeckt werde.
Eigentlich komme der heutige Schritt zehn Jahre zu spät, erklärte Raunheims Bürgermeister Thomas Jühe (SPD). Schon damals sei erkennbar gewesen, dass es für die Kommunen schwierig werde, ihre Angebote in gleicher Qualität aufrecht zu erhalten. Allerdings habe es früher Ressentiments zwischen den direkten Nachbarn gegeben. „Aber wir müssen diese Art des Denkens überwinden, das geht heute einfach nicht mehr“, erklärte Jühe unter Applaus.
Man liege im regionalen Zentrum der Prosperität, wenn man es da nicht schaffe, habe man etwas falsch gemacht. Dass die Kommunen in Zukunft auch die aus gemeinsam erarbeiteten Projekten fließende Gewerbesteuer fair teilten, setze Vertrauen voraus. „Die interkommunale Zusammenarbeit taugt nicht für parteipolitisches Gezänk“, mahnte Jühe.
Auch von den Fraktionen gab es durchweg Zustimmung für den Grundsatzbeschluss. Michael Gluch, Raunheims SPD-Fraktionsvorsitzender, sprach für die Sozialdemokraten der drei Kommunen. Es sei ein notwendiger und vor allem sinnvoller Schritt und man sollte die Chance ergreifen. „Wir haben nichts zu verlieren, es wird nichts über unsere Köpfe entschieden. Wir haben dafür viel zu gewinnen“, erklärte Gluch.
Stefan Teppich, der als Raunheimer CDU-Fraktionschef für die Christdemokraten sprach, erklärte die Ölhafenbrücke zu einem Symbol für die Zusammenarbeit. Sie sei viel mehr als ein Lückenschluss. Nun könne man Synergieeffekte bündeln. „Wir werden die Zusammenarbeit mit Hand und Herz begleiten“, so Teppich. Für die Grünen erklärte Bruno Zecha (Wählerinitiative Kelsterbach), dass man sich einbringen wolle, um die Zusammenarbeit zu stärken.
Kritisch äußerte sich der Rüsselsheimer Heinz-Jürgen Krug (Linke). Zwar unterstütze man die Zusammenarbeit, werde aber darauf achten, dass durch die Einsparungen und Zentralisierung keine Dienstleistungen gestrichen werden. Auch warnte Krug davor, dass der bürokratische Aufwand mit der Fusion wachse.
Durch die Zusammenarbeit erhofft sich die Linke, dass die Kommunen bei der Finanzpolitik gemeinsam mehr Druck aufbauen können, um „dem Druck von oben“ durch Kreis und Land etwas entgegenzusetzen. (nad)

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