Klagen sind vorprogrammiert

Posch unterschreibt Planklarstellung vor schriftlichem Urteil aus Leipzig

Rhein-Main. Trotz aller Kritik hat Wirtschaftsminister Dieter Posch am Dienstag die Nachtflugregelung für den Rhein-Main-Flughafen festgeschrieben. „Die Planklarstellung ist unterzeichnet: Das Nachtflugverbot gilt ab heute dauerhaft und verbindlich und der Flugbetrieb in den Nachtrandstunden wird begrenzt“, überschreibt er seine Presseerklärung. Damit habe die Landesregierung alle Punkte des Mediationsergebnisses zum Ausbau des Frankfurter Flughafens umgesetzt und beende eine seit nahezu 15 Jahren dauernde Diskussion um das Nachtflugverbot.
 

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig habe mit seinem mündlichen Urteil vom 4. April nicht nur den Ausbau abschließend bestätigt, sondern auch die Möglichkeit geschaffen, das Nachtflugverbot und die Entlastung der Nachtrandstunden festzuschreiben. „Wir haben immer gesagt, das Nachtflugverbot kommt, wenn es rechtlich machbar ist“, so Posch in seiner Regierungserklärung.
Und weiter: „Weniger als null Nachtflüge sind nicht möglich. Weitere Erörterungen hierzu werden deshalb nicht zu einem anderen Ergebnis der Nachtflugbefürworter führen können. Ein aufwendiges Planergänzungsverfahren und weitere Erörterungen hingegen können durchaus zu mehr als null planmäßigen Flügen in der Mediationsnacht oder mehr als 133 in den Randstunden führen. Schließlich hat Leipzig nicht gesagt, dass Nachtflüge überhaupt nicht stattfinden dürfen, sondern nur die Hürde dafür sehr hoch gelegt“. Mit einem Planergänzungsverfahren könnten die Gegner einer raschen Festschreibung des Nachtflugverbotes also genau das Gegenteil dessen erreichen, was sie eigentlich wollten, nämlich planmäßige Nachtflüge.
Als „glanzlosen Abgang ohne Einsicht für die vom Fluglärm betroffenen Menschen“ bezeichnet Thomas Klein, Pressesprecher der Fraktion Die Linken im Landtag, Poschs Vorgehen. Der Minister habe den Bogen überspannt. Selbst Bundesverkehrsminister Dieter Ramsauer, der Posch stets unterstützt habe, distanziere sich nun von dessen überhastetem Vorgehen bei der Planklarstellung. Schaus: „Posch geht und hinterlässt seinem Nachfolger nichts als Probleme. Seine einseitigen Entscheidungen für ein schon lange nicht mehr zeitgemäßes Wachstumsmodell wird die Region vor eine Zerreißprobe stellen.“
Als „vergiftetes Abschiedsgeschenk an die Region“ bezeichnet der Erste Kreisbeigeordnete Walter Astheimer Poschs Regierungserklärung. Mit der Planklarstellung schaffe der Minister das Gegenteil von juristischer Klarheit und raube der Landesregierung wichtigen politischen Handlungsspielraum. Zudem verletze Posch die Mitwirkungsrechte der Betroffenen auf eklatante Weise. Wenn der Minister bei der Veränderung der Planfeststellung vorgehen wolle wie bei der Behebung von Rechtschreibfehlern, dann zeige dies auf erschreckende Weise, welchen Stellenwert die Verlärmung einer ganzen Region bei der Landesregierung habe. Aus reiner Eitelkeit, und um noch vor seinem Ausscheiden aus dem Amt Fakten schaffen zu wollen, stoße der Minister eine ganze Region einmal mehr vor den Kopf.
Walter Astheimer fordert, die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts abzuwarten und dann ein Planergänzungsverfahren durchzuführen, bei dem alle Betroffenen erneut zu hören seien. Es könne nicht sein, dass ein Verfahren von solcher Tragweite auf rechtlich ungesicherter Grundlage abgeschlossen werde. Bei Poschs Vorgehen dränge sich der Verdacht auf, dass man hier ganz bewusst Anfechtungsgründe für die Luftverkehrswirtschaft schaffen wolle.
Auch Franz-Rudolf Urhahn, Erster Stadtrat von Mörfelden-Walldorf, schlägt in diese Kerbe. „Posch hat die Chance vertan, einen Fehler zu vermeiden. Er hinterlässt damit eine Rechtsunklarheit, Ärger und Rechtsstreitigkeiten sind vorprogrammiert“. Auch Urhahn fordert ein Planergänzungsverfahren, in dem gemäß den Vorgaben des Gerichtes Kommunen und Betroffene gehört werden.
„Transparenz sieht anders aus“, sagt die Sprecherin des Bündnisses der Bürgerinitiativen, Ingrid Kopp. Mit der Planklarstellung gehe Posch einen juristisch zweifelhaften Weg, der ein hohes Prozessrisiko berge. „Das alles nur, um die Beteiligung der Bevölkerung auszuhebeln“, ist Kopp überzeugt. Das Bündnis sehe in dieser Entscheidung eine abenteuerliche Ignoranz eines höchstrichterlichen Urteils. Mit der Planklarstellung werde den Fluggesellschaften freie Hand gegeben für Tagesrandstunden von 22 bis 23 Uhr und 5 bis 6 Uhr, in Spitzenzeiten seien auf diese Weise mehr als 80 Flüge in der Stunde möglich.
Auch Dirk Treber von der Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms ist der Ansicht, dass die Planklarstellung zu einer Rechtsunsicherheit führt. „Ohne mit der Wimper zu zucken, setzt sich Posch über die Anweisung des Bundesverwaltungsgerichtes, die Nacht nicht zum Tag zu machen, hinweg.“ Der Minister verweigere allen Betroffenen die Möglichkeit, Bedenken und Kritikpunkte vorzutragen. Klagen seien vorprogrammiert, sodass das Thema Nachtflugregelungen die hessische Landespolitik auch in Zukunft und auch während des Wahlkampfes beschäftigen werde – und nicht wie angestrebt schnell vom Tisch sei.
Bundesweit und in ganz Europa startete gestern eine Protestaktion unter dem Motto „Gesundheit vor Profit – Kein Nachtflug“, die sich vor allem gegen eine EU-Initiative zu Lasten des Lärmschutzes richtet. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz, die Bundesvereinigung gegen Fluglärm und die europäische Organisation der Fluglärmgegner befürchten massive Verschlechterungen des Schutzes gegen Fluglärm. (ake)

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