HessenForst gibt Bilanz über den Zustand des Waldes

Klimawandel: Der Schaden beginnt ganz oben

RUND ZWEI STUNDEN zeichnete HessenForst-Vertreter Klaus Velbecker (Mitte) ein düsteres Bild vom Zustand des heimischen Walds in Zeiten des Klimawandels. (Foto: Friedrich)

Mörfelden-Walldorf (ula). Der goldene Oktober hat in der Natur sein Farbenspiel entfacht, gelb, rot und grün leuchten die Blätter. Doch von der Zukunft des Waldes malen Fachleute ein düsteres Bild: Zwei Hitzesommer, Sturm, Käferfraß und Pilzbefall reichten aus, um ein Drittel der Bäume auszumerzen oder ihre Vitalität stark zu schädigen.

„Das Schadensmaß ist dramatisch“, sagt Klaus Velbecker von HessenForst Groß-Gerau beim Start des informativen Waldrundgangs, zu dem das städtische Umweltamt vor Kurzem einlud. Rund 30 interessierte Besucher streifen unter Führung des kommissarischer Forstamtsleiters und Revierförsters Karl Liebtrau vom Schwimmbadweg aus durch den Unterwald, um eine Schadensbilanz zu ziehen. Und die Blicke des Laien zu schärfen. „Die meisten Leute nehmen nur ihren Horizont wahr, aber schauen sie mal nach oben“, fordert Velbecker auf. Dort zeichnen sich die Schäden ab, die zwei Hitzesommer verursacht haben. Lichte, ausgedünnte Baumkronen, ob an Buche oder Eiche, jenen Baumarten, die den Stadtwald neben der Kiefer hauptsächlich prägen. Vorbei geht es am Waldkindergarten, der pädagogische Betreuung und Naturerziehung vereint.

Pilze gewinnen die Oberhand und entziehen ihrem Wirt die Lebenskraft

Nach nur wenigen Metern zeigt sich, wo ein weiteres Problem sitzt. Das Sturmereignis am 18. August dieses Jahres zeichnet noch immer ein Bild der Verwüstung und, so Velbecker, es wird Jahre dauern, bis man personell in der Lage sei, aufzuräumen. Dass für Waldbesucher ein potenzielles Risiko durch herabfallende Äste besteht, darauf weist er ausdrücklich hin und rät: „aufpassen“. An Stapeln mächtiger Stämme zeigt sich ein weiterer fataler Einfluss des Klimawandels: Pilze gewinnen die Oberhand und entziehen ihrem Wirt die Lebenskraft. „Ein hoher Blätter- und Nadelverlust ist das Signal des Baums: „Ich kann nicht mehr“, erklärt der Fachmann, „diese Bäume hier werden nicht mehr grün“, prophezeit er mit Blick auf junge und alte Hölzer, die kaum noch Blätter aufweisen. Betroffen sind alle Baumarten, ob Buche oder Ahorn.

„Ich hoffe, dass sich die Katastrophenjahre 2018 und 2019 nicht wiederholen.“ 

Angesichts dieser Bilanz drängen sich Fragen auf: „Wird das Rhein-Main-Gebiet zu einer Steppe?“, argwöhnt Herbert Debus, Kreisgeschäftsführer des BUND. Klaus Velbecker mag keine apokalyptischen Szenarien, „wir brauchen drei, vier nassere Sommer und vernünftige Winter, dann regelt sich vieles von selbst.“ Ein versierter Besucher ergänzt die Informationen durch Fachkenntnisse: „In 2018 hatten wir 500 ml Jahresniederschlag pro Quadratmeter. Dank des nassen Oktobers in diesem Jahr 650 ml“, sagt Jürgen Pons, Phänologe des deutschen Wetterdienstes. Die Folgen des Klimawandels mag ja kaum jemand prophezeien. Der Wald zeigt, dass viele Mechanismen, ob Pilz oder Schädling, ineinandergreifen und es keine einfachen Lösungen gibt. „Ich rate zu Versuchen mit Balkaneichen“, so Pons, die Baumart gilt als hitzerobust und kälteresistent. Klaus Velbecker setzt durchaus auf Projekte mit standortfremden Arten, glaubt aber auch an die Kraft der heimischen Bäume. „Wir müssen mit der Natur arbeiten“, so der Forstmann, der auf ein vom Sturm verwüstetes Buchenwäldchen zeigt, wo bereits junge Schösslinge sprießen. Er bleibt optimistisch: „Ich hoffe, dass sich die Katastrophenjahre 2018 und 2019 nicht wiederholen.“ Wettermann Jürgen Pons bleibt skeptisch: „Das Risiko, dass der Wald stirbt ist nicht gleich Null."

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