Nur wählen gehen reicht nicht

Bürgermeisterwahl: Der Freitags-Anzeiger stellt DKP/Linke-Liste-Kandidat Alfred J. Arndt vor

UM SEINE ZIELE DURCHZUSETZEN, muss man auch mal protestieren: Alfred J. Arndt, Bürgermeisterkandidat der DKP/Linke Liste, setzt auf den widerständigen Charakter der Mörfelden-Walldorfer, mit denen er an einem Strang ziehen will. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf (seb). Es kommt nicht oft vor, dass sich jemand um ein politisches Amt bewirbt und es gleichzeitig für überschätzt hält. Alfred J. Arndt möchte sich am 24. März zum Bürgermeister wählen lassen und sieht die Einflussmöglichkeiten des Rathauschefs dennoch als äußerst begrenzt an. Diesen Spielraum will der Kandidat von DKP/Linke Liste aber nutzen.

Stadtgeschichte, Weltgeschehen und Kommunalpolitik interessieren den 69-Jährigen schon seit der Jugendzeit. „Ich hatte Glück und gute Lehrer“, sagte er auf die Anfänge seiner politischen Biografie angesprochen. Im Kollegium des Groß-Gerauer Gymnasiums fanden sich noch einstige Nazis, doch Alfred J. Arndt wurde von fortschrittlichen SPD-Mitgliedern unterrichtet, wie er selbst berichtet. „Linker ging es damals nicht.“ Prägend war auch die anschließende Zeit bei der Bundeswehr, die seine antimilitaristische Haltung noch bestärkte. 
Eine politische Heimat fand er bei der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend in Mörfelden. Gemeinsam setzte man sich für ein Jugendzentrum ein, gleichzeitig engagierte sich Arndt in der DKP. Lange Jahre außerhalb des parlamentarischen Betriebs, bis es 2006 in den Magistrat ging, wo er bis heute mitarbeitet. „Seitdem weiß ich, welche Kanaldeckel klappern“, erzählt der selbstständige Berater internationaler Umzugsfirmen schmunzelnd.

Bürgermeister und Bevölkerung müssten an einem Strang ziehen

Es gehe in der Kommunalpolitik viel um alltägliche Probleme. Die Stadtverwaltung habe jedoch einen immer kleineren Gestaltungsspielraum, da Bund und Land die Regeln diktierten. „Der Bürgermeister wird überschätzt“, sagt Arndt. Wichtig sei, dass die Menschen sich nicht alles gefallen ließen und für ihre Interessen auf die Straße gingen. Bürgermeister und Bevölkerung müssten an einem Strang ziehen. „Man kann nicht wählen gehen und sich dann zurücklehnen“. In Mörfelden-Walldorf hätten das viele verstanden. Arndt führt dabei den Protest gegen die Grundsteuererhöhungen sowie die Straßenbeitragsgebühren an und verweist auf das Bürgerbegehren zur Feuerwehr. 
Auch in der Stadtgeschichte finde sich ein widerständiger Charakter. Als Beispiele dienen der Protest gegen den Flughafenausbau und das Auflehnen der lokalen Arbeiterbewegung gegen die Nationalsozialisten. „Das macht es hier interessant. Mir macht es Spaß, in Mörfelden-Walldorf zu leben.“ Auch, weil eine vorbildliche Aufarbeitung der NS-Zeit und des KZ-Außenlagers am Stadtrand von Walldorf praktiziert werde. An letzterem war Arndt nicht ganz unbeteiligt. Zusammen mit zwei Freunden entdeckte er in den 1970er Jahren das Walldorfer Lager auf einer Tafel im KZ Buchenwald und gab den Anstoß zur Geschichtsaufarbeitung. Heute gehört er dem Kuratorium der Horváth-Stiftung an.

Dringenden Handlungsbedarf beim sozialen Wohnungsbau

Sich einmischen, die eigene Meinung vertreten und um die Sache streiten. Das liegt dem Kommunalpolitiker. Mit Blick auf die Doppelstadt sieht er beim sozialen Wohnungsbau dringenden Handlungsbedarf. Allerdings ohne die Wiesen und Äcker zwischen den Stadtteilen als Baugebiete auszuweisen. Bei der Kinderbetreuung müsse sich etwas tun, eine zusätzliche Kita für das Neubaugebiet Walldorfer Weg habe die Verwaltung verschlafen. Wichtig ist ihm eine Betreuung in den Randzeiten am Morgen und Nachmittag. Ehrenamtliche Arbeit der Vereine gehört für ihn besser gefördert. „Das wichtige Ehrenamt wackelt“, sagt Arndt. Denn die Berufswelt lasse immer weniger Spielräume, weshalb Vereine von der Stadt stärker gestützt werden müssten.
Mörfelden-Walldorf habe sich über die Jahrzehnte gewandelt. Mittlerweile stellten die Alteingesessenen die Minderheit und viele Bürger seien wegen des Arbeitsplatzes zugezogen. Damit veränderten sich Anforderungen an die Kommunalpolitik. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, gelte es, das Internet stärker zu nutzen. Tritt der Bürgermeisterkandidat bei diesem Punkt modern auf, so weiß er beim Lesen literarische Klassiker zu schätzen. Brecht, Heine und Tucholsky zählt Arndt zu seinen Lieblingsautoren. Und auch ein anderes Hobby, das Fahren alter Autos, weist in die Vergangenheit. „Ich habe eine Hochachtung vor funktionierender Technik“, erklärt er seine Leidenschaft. Bei der Bürgermeisterwahl setzt er aber doch auf einen Neuanfang.

Eigene Bewertung: Keine Durchschnitt: 5 (2 Bewertungen)

HerunterladenQR Code URL: https://www.freitags-anzeiger.de/33198


X