Kreis favorisiert Radschnellweg-Route durch Walldorf

Freie Wähler zweifeln an Sicherheit auf der Fahrradstraße

Ruhender und fließender Verkehr in der Mörfelder Straße: Unter anderem über diesen bereits zur Fahrradstraße erkorenen Streckenabschnitt soll der geplante Radschnellweg Groß-Gerau – Flughafen Frankfurt führen. (Foto: Friedrich)

Mörfelden-Walldorf (ula). Kopenhagen, London und Mexiko haben sie schon: Radschnellwege, die eine komfortable Lösung bieten, nachhaltig und sicher von A nach B zu kommen. Im Kreis Groß-Gerau sind drei Radschnellstrecken im Visier, priorisiert wird die Anbindung Groß-Gerau – Frankfurter Flughafen. „Wir wollen gute Bedingungen schaffen, um das Auto stehen zu lassen“, sagte Sven Christiansen, Leiter des Fachbereichs Regionalentwicklung, Wirtschaft, Umwelt in der Kreisverwaltung.

Doch in der Doppelstadt gibt es Bedenken. Nicht zum Projekt selbst, sondern an der Trassenführung durch Walldorf. Impulsgeber für die Sondersitzung des Planungs- und Bauausschusses waren die Freien Wähler. Für Dienstagabend hatte sich der Ausschuss die Experten des Kreises eingeladen, um Details zu hinterfragen. Des Pudels Kern: Der geplante Radschnellweg ab Bahnhof Groß-Gerau soll im Trassenabschnitt Walldorf über die Mörfelder und weiter über die Kelsterbacher Straße Richtung Cargo City Süd führen. Bis zu 2000 Radbewegungen täglich, so die grobe Schätzung, werden dort künftig erwartet. Christiansen gibt sich zuversichtlich: „Wir sehen ein Riesenpotenzial, mit der Variante I kriegen wird gute Reisezeiten hin. Viele fahren nicht aus Umweltbewusstsein Rad, sondern weil es schneller ist.“

Ziegler: "Schon jetzt gibt es hier große Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern“

Doch die Freien Wähler meldeten massive Sicherheitsbedenken an. Wie berichtet, hatte die Stadt bereits im Vorjahr auf der Mörfelder Straße das Pilotprojekt „Fahrradstraße“ gestartet. Burkhard Ziegler bewertet nun: „Die Fahrradstraße hat nicht für mehr Sicherheit gesorgt, im Gegenteil. Wir wollen die Mobilitätswende, aber ich mache mir Sorgen: "Schon jetzt gibt es hier große Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern“.
Auch Fraktionskollege Stephan Middelberg äußerte: „Es gibt hier überproportional viele Unfälle mit Radfahrern. Warum wählen wir nicht die Alternativroute entlang der Bahn?“ Eben diese Variante II über den Mörfelder Bahnhof, Main- und Reviolstraße, Elsa-Brandström-Straße und weiter östlich der Bahntrasse sei in der Kosten-Nutzen-Analyse durchgefallen, erläuterte daraufhin der Fachmann aus der Kreisverwaltung. Grund sind deutlich höhere Baukosten für dann nötige Brückenbauwerke und Sicherheitsbedenken. „Auch die soziale Sicherheit spielt eine Rolle“, hieß es dazu. Da habe die Lenkungsgruppe des Kreises der Trasse durch die Stadt den Vorzug vor der Variante II durchs freie Feld gegeben.
Bürgermeister Thomas Winkler wollte die Unfallhäufigkeit auf der Mörfelder Straße so nicht stehen lassen. In den ersten Wochen 2022 habe es zwar noch viele Unfälle gegeben, „aber die Autofahrer haben sich daran gewöhnt“. Lediglich ein Fahrradfahrerunfall sei 2023 polizeilich aktenkundig erfasst. „Sie sollten hier kein Gefährdungspotenzial herbeireden“, sagte der Bürgermeister. Es gibt wohl eine Dunkelziffer. Fakt sei auch, so die grüne Stadtverordnete Andrea Winkler, dass nicht alle Unfälle polizeilich erfasst werden: „Das gilt für die ganze Stadt.“

Kreis sucht nach kostengünstiger Umsetzung des Radschnellwegs

Der Kreis sucht nach einer schnellen und kostengünstigen Umsetzung des Radschnellwegs. Der Kreisausschuss hatte eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben lassen, die im Oktober 2021 vorlag. In zwei Onlinebefragungen gingen mehr als 1000 Einzelmeldungen ein. Die Verwaltung der Doppelstadt bezog ebenfalls Position: Carolin Ingenfeld (Stadtplanungs- und Bauamt) fasste zusammen: „Die östliche Route entlang der Bahntrasse ist zwar super, aber man wäre auf der falschen Seite. Die Verwaltung hat sich für die mittlere Route (Bahnhof Mörfelden, Bertha-von-Suttner-Schule, Mörfelder Straße) stark gemacht.“ Eine westliche Tangente, wie von der SPD als Denkmodell angeregt, wurde indes verworfen. Nur mit großem baulichen Aufwand ließen sich Vitrolles-Ring und Okrifteler Straße für eine Radschnellstrecke ertüchtigen, so der Bürgermeister – „hier wollen wir den Autoverkehr stark machen“, betonte Ingenfeld.
Nach rund zwei Stunden war die Flut der Fragen versiegt. Der ehrenamtliche städtische Radverkehrsbeauftragte, Rüdiger Warlich, äußerte: „Ich kann mir andere Wege als die Vorzugsvariante vorstellen. Aber mit Blick auf die schwierige Finanzsituation des Kreises sollte es eine kostengünstige Variante sein. Lieber so, bevor wir gar nichts bekommen. Wir brauchen Alternativen zum Kfz-Verkehr“. Mit den Detailplänen wird sich ein externes Büro befassen, das im Auftrag des Kreises den Trassenverlauf ausarbeitet. Das Gros der Summe für den Radschnellweg wird aus Fördermitteln des Landes Hessen bestritten (bis zu 90 Prozent), den Rest bringt der Kreis auf. Die Testphase der Fahrradstraße in Walldorf wird die Stadt auswerten. Ein Knackpunkt sei die Kreuzung Langstraße, Kelsterbacher-, Mörfelder Straße, sagte Carolin Ingenfeld. Im Raum steht eine „Anlieger Frei“-Lösung für die Mörfelder Straße. Zum Thema einseitiges Parken bestehen auch seitens des Landes offenkundig keine Bedenken, wenn der neue Radschnellweg durch die Innenstadt führen sollte.

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