Zweite Spendenaktion auf Kelsterbacher Wertstoffhof

Hilfsorganisation Frankfurt for Ukraine sammelt Alltagsgegenstände

Schlafsack, Isomatte, Verbandszeug, Gehhilfen und Kerzenwachs spenden Ludger und Gertrud Theißen (von links), Agneta Becker und Jumas Medoff nehmen sie in Empfang. (Foto: Koslowski)

Kelsterbach (rko). Herbert Wöber öffnet seinen Kofferraum. Darin befinden sich Werkzeug, eine Bohrmaschine, eine Stichsäge, Isomatten und andere Utensilien. Wöber steht mit seinem Auto auf dem Wertstoffhof. Er möchte die Sachen aber nicht entsorgen, sondern hält neben einem Lkw der Hilfsorganisation Frankfurt for Ukraine. Die hatte nämlich von Donnerstag bis Samstag zu einer Spendenaktion für die Ukraine aufgerufen.

Die Dinge im Kofferraum seines Fahrzeugs stammen aus einer Haushaltsauflösung, er besitzt sie doppelt. Warum also nicht für einen guten Zweck spenden, dachte er sich. „Die Spendenaktion hier ist eine gute Sache. Die Menschen in der Ukraine brauchen die Sachen“, ist er sich sicher. Markus Gold, Mitarbeiter des Wertstoffhofs, hilft ihm und anderen Spendern bei Bedarf beim Ausladen.  Es ist die zweite Spendenaktion von Frankfurt for Ukraine auf dem Wertstoffhof, berichtet Agneta Becker vom Fachbereich Jugendförderung und kommunale Sozialarbeit. Vor Weihnachten habe die Hilfsorganisation erstmals einen Container auf dem Wertstoffhof aufgestellt. „Der Container war nach drei Tagen voll“, erinnert sich Becker gerne zurück. Das war immerhin ein 60-Kubik-Container. Da kam natürlich der Gedanke, die Spendenaktion zu wiederholen. 

Medizinisches Zubehör, abgelaufene Kfz-Verbandskästen, Schlafsäcke

Becker hat über ihr Netzwerk Kontakt zum ukrainischen Koordinationszentrum und zum ukrainischen Generalkonsul in Frankfurt, Vadym Kostiuk, der sie mit der Hilfsorganisation in Kontakt brachte. Deren Leiter, Jumas Medoff, ist Vorsitzender der Kommunalen Ausländervertretung Frankfurt. Er berichtet, dass sich die Organisation am dritten Tag nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gegründet habe. Die erste Spendenaktion in einem Café an der Hauptwache sei überwältigend gewesen. „Seitdem helfen wir weiter“, sagt Medoff. Das Team besteht aus rund 50 engagierten Menschen, mit und ohne ukrainischen Vorfahren, Geflüchteten und Ortsansässigen. Ein Mann unterbricht das Gespräch. Er habe erst gestern von der Spendenaktion auf dem Wertstoffhof gelesen und wollte fragen, was man abgeben könne, sagt er. Er habe bisher nur Geld gespendet.  Als Spenden werden gerne in Empfang genommen: Medikamente aller Art und medizinisches Zubehör, abgelaufene Kfz-Verbandskästen, Schlafsäcke, Isomatten, Spaten, Schaufeln, Mausefallen, Rollstühle, Rollatoren, Gehhilfen, Tee, Vitamine, Energieriegel, Thermoskannen, Wasserkocher und Einweggeschirr.

Verständnis und Bereitschaft sind weniger geworden 

Es ist Samstag, am dritten Tag ist der 20 Kubikmeter fassende Laderaum des Lkw zwar bereits ganz gut gefüllt, schaut aber im Vergleich zu den Berichten über die erste Aktion auf dem Wertstoffhof noch eher dürftig beladen aus. Hat die Spendenbereitschaft der Bevölkerung etwa abgenommen?
Becker und Medoff bestätigen den Gedanken durchaus. Becker sagt, dass das Verständnis und die Bereitschaft weniger geworden sind. „Die Bevölkerung ist grundsätzlich kriegsmüde und hat ihre eigenen Probleme“, sagt sie. Medoff spricht von einer gewissen Zurückhaltung, obgleich die Hilfsorganisation noch Spenden aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet erhalte.
Auch er spricht von einer gewissen Kriegsmüdigkeit. Zudem seien die Transportmöglichkeiten schwieriger geworden, in den ersten Monaten hätten Logistiker Spendentransporte kostenfrei gefahren. Er gibt aber auch zu bedenken, dass sich in der Ukraine inzwischen vieles selbst geregelt habe. Lebensmittelspenden seien beispielsweise nicht mehr notwendig. Die Liste der Bedarfe sei schlanker und zielgerichteter geworden. Krankenhäuser, Altenheime und Waisenhäuser seien Abnehmer. 
Harald Heppner fährt vor. Becker und Medoff gehen ihm gleich zur Hand. Er hat einen Verbandskasten, Isomatten, Schlafsäcke und Krücken im Kofferraum. Also Gegenstände, die dringend benötigt werden. Die Lautsprecher muss er allerdings wieder mitnehmen. Heppner hatte ebenfalls den Aufruf gelesen. Nach einem Todesfall will er die Sachen weggeben. Er spendet allerdings nicht zum ersten Mal.
Becker erhält indessen zum wiederholten Mal Lob von den Spendern für ihr Engagement. Sie freut sich darüber, geht aber gleich wieder zum Tagesgeschäft über. Viele Leute würden lieber Dinge spenden, als sie bei Online-Auktionen anzubieten, was insgesamt aufwendiger sei. 
Medoff kehrt noch einmal zum Thema Spendenmüdigkeit zurück. In Frankfurt sei diese nicht so stark zu spüren. Und er macht auch darauf aufmerksam, dass viele Menschen bereits ein, zwei, drei Mal gespendet hätten und die Keller inzwischen leer geräumt seien. 
Zu den wichtigsten benötigten Dingen gehörten Krücken, Benzinkanister, Arbeitshandschuhe, Werkzeug, Schaufeln, Toilettenstühle aber auch Wachs, um sich Kerzen selbst zu machen. Erste-Hilfe-Taschen mit abgelaufenen Gebrauchsdatum seien übrigens kein Problem. Denn Scheren und Heizdecken ließen sich natürlich weiterverwenden und selbst poröses Verbandszeug lasse sich verwenden, wenn es nicht direkt auf der Wunde aufliege. 
Ludger und Gertrud Theißen wollen Schlafsack, Isomatte, Verbandszeug, Gehhilfen und Kerzenwachs abgeben. „Wir wollten selbst mal Kerzen machen, das Wachs liegt jetzt schon zwei Jahre bei uns herum“, sagt Ludger Theißen. Es sei doch besser, überflüssige Dinge zu spenden, als sie wegzuschmeißen. Es ist erst Vormittag, die Spendenaktion läuft bis 16 Uhr, macht Becker Hoffnung auf mehr. Und Medoff freut sich ohnehin über jede Spende. „Das sieht schon sehr gut aus“, sagt er.

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