Tierschutzverein Kelsterbach kämpft mit Pandemie-Folgen

Weniger Einnahmen und engagierte Helfer / Kein Stand beim diesjährigen Altstadtfest

Wichtige Einnahmequelle für den Tierschutzverein: Elke und Dieter Klettke betreuen den Flohmarkt-Container. (Foto: Postl)

Kelsterbach (pos). Corinna Köhlhofer kommt nach ihrem Vollzeitjob auf das Gelände des Tierschutzvereins, nimmt Kurs auf das Taubenhaus. Sie hält kurz inne, macht kehrt und sagt: „Ich muss erst kurz mal zu meinen neuen Lieblingen.“ In einem separaten Raum warten zwei Birma-Katzen auf sie.

 Kaum hat sie die Tür geöffnet, schnurren die Katzen schon auf Köhlhofer zu. „Ich bin eigentlich für die Tauben zuständig, doch als ich diese beiden wunderschönen Katzen das erste Mal gesehen habe, konnte ich nicht vorbeigehen – und das ist bis heute so geblieben“, berichtet sie.
Die Birma-Katzen, zwei unzertrennliche Geschwister, haben ein besonderes Schicksal hinter sich. Lange Zeit lebten sie auf Mallorca in wohlbehüteter Umgebung, bis ihre Besitzerin verstarb. „Sie wurden in einem Tierheim abgegeben und kamen mit den anderen Katzen überhaupt nicht zurecht“, erklärt Köhlhofer. Über eine Tiervermittlung fand sich eine ältere Dame in Kelsterbach, die beide Katzen aufnehmen wollte. Doch als die Tiere unterwegs waren, erkrankte die Frau – und so landeten die Edel-Katzen beim Tierschutzverein. „Das sind überaus zugängliche Katzen, die total verschmust sind“, weiß auch Judith Wagner, Vorsitzende des Tierschutzvereins.

Taubenschlag beugt Überpopulation vor 

Jetzt sucht man dringend ein neues Zuhause für die elfjährigen Katzen. „Sie sind völlig unproblematisch, aber sie müssen zusammenbleiben und es dürfen keine anderen Tiere im Haus sein“, nennt Wagner die Bedingungen. „Ich würde sie sofort nehmen, aber das kann ich meinem alten Kater nicht zumuten“, bedauert Corinna Köhlhofer. Wer Interesse an diesen Birma-Katzen hat, kann sich beim Tierschutzverein melden. „Jetzt muss ich aber doch zu meinen Tauben“, sagt Köhlhofer und strebt dem rückwärtigen Bereich des Geländes entgegen. Das Gurren ist nicht zu überhören, dann blickt Köhlhofer nach oben: „Oh, wenn ich das sehe, dann geht mir das Herz auf“, sagt die Vogel-Betreuerin, als ein großer Taubenschwarm seine Kreise zieht. „Die Tauben brauchen drei bis vier Wochen, bis sie sich an einen festen Schlag gewöhnt haben und dann auch immer dorthin zurückkehren“, erklärt Köhlhofer.
Jeden Abend sieht sie nach dem Rechten, macht alles sauber, sorgt für Futter und frisches Wasser. Hierbei hilft ihr Kai Tomczyk, der eigentlich zur Catering-Gruppe gehört. „Hier geht es wirklich zu wie in einem Taubenschlag“, zeigt sie auf turtelnde Tauben und einige Nester in denen gebrütet wird. Über 120 Eier hat sie seit Juli 2021 aus den Nestern geholt, damit nicht weitere Jungtiere schlüpfen. So will man einer Überpopulation zuvorkommen.
In einer kleinen Voliere sitzen jene Taube, die verletzt gebracht oder von den Tierschützern selbst gefunden wurden. „Erst kürzlich habe ich eine Taube unter einer Mittelleitplanke hervorgeholt, die wahrscheinlich mit einem Auto kollidiert ist“, berichtet Köhlhofer. Dann zeigt sie auf eine Taube, die doppelt beringt ist. „Diese Taube hatte einen Brustbeinbruch, der wahrscheinlich von einem Tritt stammt – jetzt sieht es wieder einigermaßen gut aus“, freut sich Köhlhofer. Alle Tauben, die beim Tierschutzverein ankommen, werden doppelt beringt: ein grüner Ring für den Verein, ein weiterer zur internationalen Identifizierung. 

Hohe Preise und weniger Einnahmen belasten Verein 

Viel Betrieb gibt es auch beim Verein Meerschweinchen in Not, der ebenfalls im Tierschutzhaus angesiedelt ist – und auch hier führt Judith Wagner den Vorsitz. Für die Betreuung der Meerschweinchen ist Elke Klettke verantwortlich. „Ich bin jeden Tag hier und kümmere mich um die Tiere, und einmal in der Woche gibt es einen Stalldienst, da gibt es glücklicherweise wieder ein paar Helfer.“ In den Hoch-Zeiten von Corona hat dies der Vorstand allein bewerkstelligen müssen. Elke und Dieter Klettke betreuen auch den Flohmarkt. Dieser findet noch bis Oktober an jedem ersten Freitag im Monat statt. „Heute ist es ziemlich ruhig, es sind halt Ferien“, beschreibt Klettke die Situation. Ziemliche Sorgen bereitet der Vereinsvorsitzenden die künftige finanzielle Situation. „Unsere ehrenamtliche Fahrergruppe fährt bestimmt 25 bis 30 Mal zur Ronneburg, um dort bei uns abgegebene Greifvögel in bewährte Hände zu geben – bei den derzeitigen Benzinpreisen wird das so nicht weitergehen können“, betont Wagner.
Auch die Abgabe von Wildtieren hat spürbar zugenommen. Normalerweise sind es rund 600 im Jahr, bis Ende Juni 2022 waren es schon über 450 Tiere. „Dann hat sich alles, aber auch alles verteuert, angefangen vom Futter über Katzenstreu bis hin zu den Tierarztkosten – die sind ab August ja noch einmal beträchtlich gestiegen“, erklärt Wagner.
Dabei sind die Einnahmen in den vergangenen beiden Jahren weggebrochen. „In normalen Jahren haben wir durch unsere Catering-Dienste bei städtischen und anderen Veranstaltungen rund 14 000 Euro pro Jahr erwirtschaften können – das ist jetzt zwei Jahre ausgefallen“, erläutert Wagner. Da sich zudem der Catering-Personalbestand durch mehrere Schicksalsschläge verringert hat, kann der Verein das diesjährige Altstadtfest nicht bedienen. „Wir hoffen aber, dass wir auf dem Weihnachtsmarkt zumindest mit dem Hotdog-Wagen dabei sein können“, erklärt Wagner. Nun werden vor allem junge ehrenamtliche Mitstreiter gesucht, die sich für den Tierschutz engagieren wollen. „Wer Interesse hat, soll mal vorbeikommen, jeder kann sich bei uns nach seinen Vorlieben einbringen“, so Wagner.

Infos im Internet zum Tierschutzverein gibt es unter http://www.tierschutz-kelsterbach.de

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