Mit dem Leben bezahlt

Sonderausstellung anlässlich der Verlegung der Stolpersteine

BILDER, die nachdenklich machen: Karl Schmiedt von der Museumsgruppe (links) betrachtet mit Besuchern der Ausstellung „Es lebe die Freiheit! Junge Menschen gegen den Nationalsozialismus“ Fotos aus dem Stadtarchiv, die Aufmärsche der Nationalsozialisten in Kelsterbach zeigen. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. „Wenn die Panzer kommen: Weiße Fahnen raus! Niemand leistet Widerstand. Tod den Nazi-Henkern.“ Als Robert Limpert im April 1945 diese Zeilen für Flugblätter verfasst, stehen die US-Truppen vor seiner hessischen Heimatstadt Anspach. Der 20-Jährige will, dass die kriegsmüden Bürger die Stadt kampflos und ohne Blutvergießen übergeben. Seinen Einsatz für Anspach bezahlt Robert Limpert mit dem Leben: Der Stadtkommandant lässt den jungen Mann wenige Stunden vor der Befreiung der Stadt hinrichten.

Ist vom deutschen Widerstand gegen Hitler und die Nazis die Rede, steht oft der militärische Widerstand in Person von Graf von Stauffenberg im Vordergrund. Die Ausstellung „Es lebe die Freiheit! Junge Menschen gegen den Nationalsozialismus“ hingegen widmet sich Einzelkämpfern sowie organisierten Widerstandsgruppen der Arbeiterbewegung, der Kommunisten und Sozialisten.
Konzipiert hat die Ausstellung der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945, der 1967 in Frankfurt von Wissenschaftlern, Pädagogen und Überlebenden des NS-Regimes gegründet wurde.
Das Stadtmuseum zeigt die Wanderausstellung anlässlich der Stolperstein-Verlegung in Kelsterbach am 17. Februar. Die Stolpersteine seien Mahnung und Erinnerung an die jüdischen Mitbürger in Kelsterbach, die wegen ihres Glaubens Opfer des Rassenwahns der Nazis geworden und deportiert und ermordet worden seien, sagte Bernhard Wiegand bei der Eröffnung. Die Ausstellung, die den Mut und das Engagement einiger junger Menschen gegen das Naziregime dokumentiere, solle die Stolpersteinverlegung begleiten und einen Beitrag gegen das Vergessen leisten.
Leider seien viele Menschen der Propaganda der Nazis verfallen gewesen und nur wenige hätten den Mut gehabt, Widerstand zu leisten, erklärte Bürgermeister Manfred Ockel. Die Verlegung der Stolpersteine sei ein wichtiges Zeichen, um an diese schreckliche Zeit zu erinnern.
Auf 28 Stellwänden werden mit Originalzitaten und Bildmaterial die Aktionen der Widerstandskämpfer dokumentiert. Neben bekannten Gruppen, wie die Weiße Rose und die Edelweißpiraten, werden auch weniger bekannte, wie die Rote Kapelle, vorgestellt, ein loser Zusammenschluss von rund 100 Journalisten, Intellektuellen, Künstlern, Sozialdemokraten und Kommunisten. Sie halfen Verfolgten, verteilten Flugblätter und gaben militärische Nachrichten weiter. Viele Regimegegner, wie die Baum-Gruppe – eine Organisation jüdischer Widerstandskämpfer um den Elektriker Herbert Baum –, mussten ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen.
Auch die dokumentierten Einzelschicksale machen betroffen, wie das von Bernhard Becker. Der Frankfurter Städel-Schüler sammelte junge Katholiken um sich und machte Stimmung gegen die Gleichmacherei der Nazis. Becker wurde verhaftet und misshandelt. Er starb mit 22 Jahren im Polizeigefängnis in der Hammelgasse.
Ergänzend zur Sonderausstellung werden in einem Schaukasten zudem Fotos, Zeitungen und Bücher aus dem Stadtarchiv gezeigt. Rund 25 Fotos dokumentieren, wie die Nazis Kundgebungen und Umzüge in Kelsterbach organisierten. Beklemmend auch die Bilder von einer Kundgebung auf dem Marktplatz, auf denen die St. Martinskirche beinahe komplett hinter Flaggen mit Hakenkreuzen und SS-Runen verborgen ist. Auch ein Zeitungsausschnitt ist zu sehen, in dem es 1937 um die Einweihung des Ehrendenkmals am Mainufer und die Umbenennung der Mainstraße in „Straße der SA“ geht.
„Die Ausstellung weckt Erinnerungen. Keine angenehmen, sondern welche, die sehr nachdenklich machen“, sagte Heinrich Hoffmann beim Betrachten der Fotos. Der 87-jährige Kelsterbacher hat als Kind den Krieg miterlebt, wurde 1944 noch eingezogen und kam in Kriegsgefangenschaft.
Die Sonderausstellung ist noch am 16. und 23. Februar von 14 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt im Stadtmuseum zu sehen. Schulklassen können bei Karl Schmiedt vom Volksbildungswerk unter Telefon 29 58 Sondertermine vereinbaren. Parallel ist noch bis zum 28. Februar in der Stadt- und Schulbibliothek die Ausstellung „Kinder im KZ Theresienstadt – Zeichnungen, Gedichte, Texte“ zu sehen. (nad)

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