Kelsterbach: Frauenhilfe St. Martin löst sich zum Jahresende auf

Es fehlen junge Mitstreiter

Ein Dank für 50 Jahre Mitgliedschaft in der Frauenhilfe: Vorsitzende Katja Ehrlich (links) zeichnete Elfi Schmiedt (Mitte) und Liesel Diehm aus. Foto: Frauenhilfe

Kelsterbach – Die Untermainstadt ist künftig um eine engagierte Organisation ärmer: Die Frauenhilfe der evangelischen St. Martinsgemeinde wird sich mit Ende des Jahres auflösen. Das gab die Vorsitzende Katja Ehrlich kürzlich beim Jahresfest der Frauenhilfe im Haus Feste Burg schweren Herzens bekannt. Der Grund: es fehlen Mitglieder. Wie Ehrlich, die der Frauenhilfe seit 2003 vorsteht, berichtete, sei die Mitgliedersituation seit einigen Jahren durch Überalterung rückläufig, auch werde es immer schwieriger, neue und vor allem jüngere Mitstreiter zu finden. 

Aktuell zählt die der Kirchengemeinde angegliederte Gemeinschaft noch rund 100 Mitglieder, viele davon seien jedoch 75 Jahre und älter, so Ehrlich. 
Die Auflösung der Organisation soll bei der nächsten Jahreshauptversammlung im November mit der Entlastung des Vorstandes eingeleitet und zum Jahresende dann besiegelt werden. Die verbleibenden Mittel aus den Rücklagen würden zu gleichen Teilen an die gemeinnützigen Organisationen verteilt, die die Frauenhilfe in den vorangegangenen Jahren unterstützt habe, erklärte Ehrlich. 
Damit geht in Kelsterbach eine Ära zu Ende: 2012 hatte die Frauenhilfe ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert – und über die Jahre ihre Spuren in der Untermainstadt hinterlassen. Gegründet wurde die Organisation 1912 als „Gustav Adolf Frauenverein“ von 25 evangelischen Kelsterbacherinnen, mit dem Wunsch, Menschen zu helfen, denen es trotz wirtschaftlichem Wachstum dank Opel in Rüsselsheim und Glanzstoff in Kelsterbach – bei beiden Unternehmen hatten auch viele Kelsterbacher Arbeit gefunden – nicht so gut ging.
Jedoch: „Soziales und ehrenamtliches Engagement so wie es in der Frauenhilfe seit 111 Jahren gelebt wird, ist in unserer heutigen und schnelllebigen Gesellschaft oft schwierig und auch nicht mehr ,in‘“, bedauerte die Vorsitzende. Mit der Entscheidung zur Auflösung der Institution habe man sich seit gut zwei Jahren auseinandergesetzt. Lange sei überlegt worden, wie die Frauenhilfe weiter bestehen könne und auch mit dem Kirchenvorstand gesprochen. „Aber es kommt einfach niemand nach“, so Katja Ehrlich. Viele hätten heute keine Zeit mehr, sich ehrenamtlich für andere Menschen einzusetzen oder sich um benachteiligte Menschen zu kümmern. Immer weniger wollten sich zudem an Vereine binden. 
Und so wurde es über die vergangenen Jahre für die Frauenhilfe immer schwerer, genügend Helfer für Feste zu finden – etwa für den von der Gewerbegemeinschaft organisierten Weihnachtsmarkt im Unterdorf. Seit 1982 war man dort mit dem Café St. Martinsklause eine echte Bank, Anfang der 2000er Jahre führten Gemeinde und Frauenhilfe dann den Weihnachtsmarkt von der Gewerbegemeinschaft fort.
Doch in den vergangenen Jahren sei es eine Last gewesen, genügend Helfer zu finden, sodass 2022 der Kirchenvorstand einspringen musste. Wie Ehrlich weiter berichtete, sei es für die älteren Damen immer aufwendiger geworden, weihnachtliches Gebäck, selbst gekochte Marmeladen und Gestecke in der Verkaufsbude anzubieten. 
Auch am Jahresfest war der Mitgliederschwund bemerkbar: Kamen früher weit über 100 Mitglieder zur Feier in die Mehrzweckhalle Nord, zog man vor einigen Jahren ins kleinere Haus Feste Burg um. Dort finden die Mittwochstreffen statt, die regelmäßig von etwa einem Dutzend Frauen besucht werden. Doch auch hier ist der Zuspruch geschrumpft – jedoch würden die Treffen gerade für alleinstehende Frauen Abwechslung und Geselligkeit bieten, betonte Ehrlich. Sie hofft, dass sich jemand oder eine Institution findet, die ein ähnliches Angebot unterbreitet. 
Katja Ehrlich glaubt, dass mit dem Ende der Frauenhilfe auch etwas verloren geht: Nicht nur das Anliegen, Menschen vor Ort in Notlagen zu helfen, sondern auch die Unterstützung gemeinnütziger Institutionen. Alle Einnahmen aus den Veranstaltungen werden gespendet, etwa an den Verein für krebskranke Kinder in Frankfurt, das Hospiz Lebensbrücke in Flörsheim, das Palliative-Care-Team Leuchtturm in Groß-Gerau, die Wohnstätte Inselhof in Königstädten oder die Clown Doktoren der Kinderklinik Rüsselsheim.
Ehrlich hob hervor, dass man sich regionale Projekte aussuche, die auch von Kelsterbachern in Anspruch genommen würden, und vor allem solche, die keine öffentlichen Fördergelder bekämen. Eine dieser Organisationen seien der Freundeskreis Communio Christi, die gleichnamige Stiftung und der Verein Lebenswende – Organisationen, die federführend von Pfarrer Friedrich Meisinger betreut werden. Diese wurden nun mit einer Zuwendung von 1000 Euro gedacht.
Über die Jahre hätten sich immer Menschen gefunden, die sich ehrenamtlich und uneigennützig für das Gemeinwohl eingesetzt hätten – auch bei der Frauenhilfe. „Nur durch den Einsatz dieser engagierten Menschen ist es möglich, unsere Gesellschaft gemeinsam zu gestalten und sie nachhaltig zu verbessern“, betonte Ehrlich beim jüngsten Jahresfest. Zu diesen Menschen gehörten auch Liesel Diehm und Elfi Schmiedt, die beide für 50-jährige Mitarbeit in der Frauenhilfe geehrt wurden, sowie Annette Kaufmann-Will, die die Organisation seit 25 Jahren unterstützt.
Eine letzte gute Tat will die Frauenhilfe im September vollbringen: Dann sind die Damen noch einmal mit ihrem Café St. Martinsklause im Haus Feste Burg beim Altstadtfest vertreten und verkaufen selbst gemachten Kuchen – so wie beim ersten Mal. Katja Ehrlich bedauert das Ende der Frauenhilfe: „Ich habe hier viele Freundschaften geknüpft und Loyalität erlebt.“  Von Nadine Scherer
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