„Zwölf Jahre sind genug“

Vor der zweiten Amtszeit: Erster Stadtrat Franz-Rudolf Urhahn blickt zurück und voraus

ER BLEIBT IM RATHAUS: Franz-Rudolf Urhahn hat sechs weitere Jahre als Erster Stadtrat vor sich. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Franz-Rudolf Urhahn (Grüne) ist vom Parlament erneut zum Ersten Stadtrat gewählt worden. Nach seiner zweiten sechsjährigen Amtszeit will er sich dann aus dem Politikbetrieb zurückziehen.

Bis dahin verantwortet Urhahn die Arbeit von rund 240 Mitarbeitern in vier Ämtern sowie den Stadtwerken. Dem Amt für Finanzen steht er als Kämmerer vor, weiter fallen das Sozial- und Wohnungsamt sowie das Gewerbe- und Ordnungsamt in seine Zuständigkeit. Im Gespräch mit dem Freitags-Anzeiger blickt er auf die letzten Jahre zurück und erklärt, welche Aufgaben als nächstes anstehen.
Erst mit dem Umzug von Mainz nach Mörfelden-Walldorf im Sommer 1983 begann Franz-Rudolf Urhahn, sich parteipolitisch zu engagieren. „Mich hat aber schon immer interessiert, was gerade passiert und ich habe früh Zeitung gelesen“, sagt der 60-Jährige in seinem Arbeitszimmer im Rathaus Walldorf. Seine Eltern waren Mitglieder in der Büchergilde Gutenberg, und so ist er in seiner Heimatstadt Trier als Kind mit gesellschaftspolitischen und gewerkschaftlichen Texten in Berührung gekommen. Das Lesen zählt er heute noch zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen: „Ich bin eine Buchfressmaschine“.
Bei den Grünen aktiv geworden ist er im Jahr 1984. Aber auch vor seiner Zeit als Parteipolitiker war Urhahn schon aktiv, arbeitete in Bürgerinitiativen und Hochschulgruppen mit. In Koblenz studierte er in den 70er Jahren Sozialpädagogik. Zwanzig Jahre später besuchte er in Ilmenau den Studiengang für Wirtschaftsinformatik.
Viele Mitstreiter bei den Grünen kannte er von den Protesten gegen den Bau der Startbahn West. Die ersten Jahre engagierte er sich im Stadt- und Kreisvorstand, ab 1990 saß er im Parlament der Doppelstadt.
Zwischenzeitlich kehrte er seiner Partei wegen der Unterstützung des Kosovokriegs den Rücken, trat später aber wieder ein. Größere Verantwortung übernahm er mit der Aufgabe des ehrenamtlichen Sozialdezernenten 2006. Ein Jahr später wurde er zum hauptamtlichen Ersten Stadtrat gewählt.
Über das Jahr gerechnet habe er in der Regel eine 60-Stunden-Woche zu bewältigen. Um abzuschalten und auszuspannen mache er am liebsten „einfach mal nichts“. Lange schlafen, in Ruhe frühstücken, die Beine ausstrecken und abends einen Krimi im Fernsehen schauen.
„Vieles wird heute als selbstverständlich hingenommen“, sagt Urhahn mit Blick auf seine Arbeit. Dabei hätten Grüne und SPD gemeinsam viele Veränderungen auf den Weg gebracht. Das pädagogische Angebot in den Kindertagesstätten habe man ausgebaut, genauso wie die Anzahl der Betreuungsplätze. Der Stadtpass wurde eingeführt, Hausaufgabenhilfe an den Schulen sei gefördert, das Integrationsbüro eröffnet und die Innenstädte modernisiert worden. Auch Tempo-30-Zonen und die Ausweitung des kommunalen Klimaschutzes führt der Erste Stadtrat an.
Ob sich in seiner zweiten Amtszeit ebenso viel realisieren lässt, scheint zweifelhaft. „Als ich angefangen habe, herrschten paradiesische Zustände“. Vier Millionen Euro Überschuss verzeichnete die Stadtkasse. Heute muss darum gekämpft werden, dass das Defizit im einstelligen Millionenbetrag liegt. Statt einem Ausbau der Infrastruktur stehen Gebühren- und Steuererhöhungen an.
„Es knarzt und quietscht zwar schon, aber ich will die angepeilten vier Millionen Euro bei den Sach- und Dienstleistungen einsparen“, kündigt Urhahn mit Blick auf die Haushaltskonsolidierung an. Dabei sollen auch eine Umgestaltung der Finanzverwaltung und die Einführung einer Controlling‧stelle helfen.
Gleichzeitig steht mit der Sanierung der Mörfelder Kläranlage ein Großprojekt an, das in sechs bis zehn Jahren ge‧stemmt werden soll. Die veraltete Kläranlage müsse für rund zehn Millionen Euro umgebaut werden, informiert Urhahn. Und nachdem die dringlichsten Maßnahmen des Generalentwässerungsplans umgesetzt sind, hat die Kanalisation um den Dalles Priorität. Kostenpunkt zwei bis drei Millionen Euro.
Auf Urhahns Agenda steht weiter die Umwandlung der Grundschulen zu Ganztagsschulen, der Ausbau der U3-Betreuung in den Kindertagesstätten und der Kampf gegen weitere Belastungen durch den Frankfurter Flughafen. „Ich bin immer noch der Meinung, dass eine Bahn zu viel da ist“. Dabei gehe es ihm nicht alleine um den Lärm, sondern auch um den Verlust von Wald, was leider nur noch wenig thematisiert werde. Angesiedelt ist die Flughafenthematik im neu geschaffenen Umweltamt.
Wenn seine Amtszeit endet, sei er in einem guten Alter um aufzuhören. „Zwölf Jahre Erster Stadtrat sind genug. Das verändert auch die Persönlichkeit – und nicht unbedingt zum guten“, befindet er mit Blick auf den Politikbetrieb. Oft müsse man zurückstecken, Kompromisse finden und sich sehr taktisch verhalten. Auf Dauer deformiere das den Charakter, glaubt Urhahn.
Dennoch schätzt er an seinem Amt als Erster Stadtrat die Möglichkeit, Dinge verändern und beeinflussen zu können. Dafür hat er jetzt noch sechs Jahre Zeit. (seb)

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