Lösungen gibt es nur in der Theorie

Ortstermin am Bahnhof: Barrierefreier Zugang zum Mittelgleis nicht in Sicht

PROBLEMATISCH: Wer in Walldorf zum Mittelbahnsteig möchte, muss über diese Treppe. Der Umweltausschuss des Kreistags informierte sich darüber, wie ein barrierefreier Zugang zum Gleis nach Frankfurt realisiert werden könnte. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Für 4,9 Millionen Euro wurde das Walldorfer Bahnhofsumfeld umgestaltet. Ohne Stufen und andere Hindernisse können Menschen mit eingeschränkter Mobilität die Züge nach Groß-Gerau erreichen. Wer aber im Rollstuhl sitzt oder mit dem Kinderwagen unterwegs ist und einen Zug nach Frankfurt nehmen möchte, hat noch immer das Nachsehen.

Zwar bemüht sich die Stadt seit Jahren um einen barrierefreien Zugang zum Mittelbahnsteig, die Verhandlungen mit der Bahn gestalten sich aber schwierig. Über die aktuelle Situation informierte sich nun der Umweltausschuss des Kreistags vor Ort.
„Es ist leider nicht so einfach wie man sich das vorstellt“, erklärte Benjamin Frank Schmidt auf dem Weg zum Mittelbahnsteig. Der zuständige Bahnhofsmanager versuchte den Politikern die Lage zu erklären und präsentierte immerhin zwei Lösungen, die theoretisch denkbar wären. Die Betonung legte er dabei aber klar auf die Möglichkeit. Denn konkrete Pläne zur Umsetzung der theoretischen Lösungen hat die Bahn nicht.
Um den Zugang für Rollstuhlfahrer, Eltern mit Kinderwagen und Senioren mit Rollatoren zu erleichtern, könnte jeweils ein Aufzug auf beiden Seiten der Gleisanlagen die Fahrgäste zu einer Brücke bringen, die oberhalb der Bahnlinie verläuft und zum Mittelbahnsteig führt. Um wieder hinunter zu gelangen wäre ein dritter Aufzug notwendig, führte Schmidt aus. Ein solche aufwendige Lösung würde nach einer ersten Schätzung rund fünf Millionen Euro kosten.
Günstiger wäre es, eine Rampe von der Unterführung zum Mittelbahnsteig anzulegen. Hier wird von Baukosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro ausgegangen. Bei dieser Variante mache die Länge der Rampe Probleme, so der Bahnhofsmanager. Da für einen barrierefreien Zugang eine relativ niedrige Steigung notwendig ist, müsste die Rampe 70 bis 80 Meter lang sein, erklärte Schmidt weiter. „Sie wäre deshalb nicht einfach zu bewältigen“. Hinzu kommt, dass die Rampe nicht einmal zwei Meter breit sein kann. Denn auf dem Mittelbahnsteig steht nur der Platz zwischen den weißen Markierungssteinen zur Verfügung, die den Sicherheitsbereich abgrenzen. Nutzen Rollstuhlfahrer von zwei Seiten gleichzeitig die Rampe, wird es eng.
Von städtischer Seite wird die zweite Variante verfolgt, wie Marko Brendel vom Bauamt erklärte. Auf jeder Seite des Bahnhofs soll es dabei einen Aufzug geben, der die Menschen zur Unterführung bringt. Von dort aus könnten sie dann über die Rampe mit einer Steigung von sechs Prozent zum Mittelbahnsteig gelangen. Wer allein mit dem Rollstuhl unterwegs ist, muss für die 70 bis 80 Meter einiges an Muskelkraft aufwenden. Entlang der Rampe könnten kleinere Zwischenpodeste Möglichkeiten zum Verschnaufen bieten, so Brendel.
Ob es aber in absehbarer Zeit überhaupt zu einer barrierefreien Lösung für den Mittelbahnsteig kommt, ist fraglich. Von Bahnseite hieß es bei dem Ortstermin, dass die Ausgangslage bei manchen Bahnhöfen einfach zu schwierig sei. In Walldorf gebe es schlicht zu wenig Platz auf dem Bahnsteig.
Dagegen führte Bürgermeister Heinz-Peter Becker (SPD) an, dass es mittlerweile die informelle Zustimmung der Bahn zu den Plänen der Stadt gebe. Schriftlich habe man aber noch keine Zusage erhalten.
Skepsis scheint angebracht, denn Becker berichtete weiter, dass bislang noch jeder Vorschlag der Stadt abgelehnt wurde. Schließlich habe die Bahn der Stadt sogar ein Schreiben zukommen lassen, mit dem sich Mörfelden-Walldorf vertraglich damit einverstanden erklären sollte, dass es keinen barrierefreien Zugang geben wird. Unterschrieben hat die Stadt den Vertrag nicht. Ohne die Zustimmung und Zusammenarbeit der Bahn ist eine Lösung aber nicht möglich. Und ob die Bahn hierzu bereit ist, schien beim Ortstermin zumindest fraglich.(seb)

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