Kommunalwahl in Mörfelden-Walldorf: Dreimal so viele Briefwähler

Vorläufiges Endergebnis am Dienstagabend ausgezählt

Mörfelden-Walldorf hatte die Wahl – auch in der Waldenserschule, wo gleich vier Wahlbezirke coronakonform eingerichtet worden sind. Rund 300 Wahlhelfer waren diesmal am Start – Manfred Zwilling (links) packt zum 20. Mal bei Wahlen mit an. Foto: Friedrich

Mörfelden-Walldorf - Zahlen, Zahlen und noch mehr Zahlen. Normal bei Wahlen, möchte man meinen. Aber die Kommunalwahlen am Sonntag wurden wegen der Corona-Pandemie von noch größerem Zahlenwerk flankiert als üblich. Und das, bevor die ersten Ergebnisse feststanden. 70 Liter Desinfektionsmittel, mehrere Tausend Kugelschreiber, 289 Wahlhelfer waren im Einsatz. 

Das Angebot kostenloser Schnelltests beim DRK Mörfelden nahmen am Tag zuvor rund 150 Helfer in Anspruch – ein Test war positiv. 60 000 Euro hatten die Stadtverordneten im Nachtragshaushalt der Stadt zusätzlich drauf gepackt, um die Kommunalwahlen unter den Pandemiebedingungen zu finanzieren. Allein der Aufbau der Spuckschutzscheiben erforderte von den Bauhofteams diverse Überstunden. 25 430 wahlberechtigte Bürger waren aufgerufen, ihr demokratisches Recht zu nutzen und einen neuen Kreistag sowie ein Stadtparlament zu wählen. Als Wahlleiter Steffen Seinsche am Sonntag Mittag seine Runde durch die Wahlbezirke drehte, elf in Mörfelden und 14 in Walldorf, da hatten viele bereits ihre Kreuzchen verteilt. „Wir haben 8205 Briefwahlanträge bearbeitet“, berichtete Seinsche – ein historischer Wert, da knapp dreimal so viel wie noch im Jahr 2016.
Weil man mit einer hohen Briefwahlbeteiligung gerechnet hatte, waren die Wahlbezirke von vier auf acht verdoppelt worden. Lange Warteschlangen vor den Wahllokalen sind ausgeblieben – wenn es welche gab, etwa an der Waldenserschule, waren diese überschaubar. Laut Seinsche habe es keine Auffälligkeiten bei der Wahl gegeben. Auch die befürchteten Warteschlangen seien zum größten Teil ausgeblieben, was auch mit einer geringeren Urnenwahlbeteiligung zusammenhänge. „Probleme gab es bei einigen Wählern, die ihre Briefwahlunterlagen bis Samstag noch nicht erhalten hatten“, sagte Seinsche. Sie hatten bis zum Wahlsonntag, 15 Uhr, noch die Möglichkeit gehabt, im Stadtbüro Walldorf neue Unterlagen zu beantragen. Um wie viele Betroffene es sich handelte, konnte Seinsche nicht beantworten.
Auch unter den 7726 Wahlberechtigten für die Ausländerbeiratswahl nutzten einige die Briefwahl, 462-mal wurden die Unterlagen verschickt. Entsprechend ruhig war es in den Wahlbezirken. Wenngleich sich nicht jeder, trotz Corona, das Ambiente am Wahltag nehmen ließ. „Das ist wie ein Feiertag für mich“, sagte Michael X. aus Walldorf, der den Gang an die Urne favorisiert.
Im Bürgerhaus Mörfelden war es nachmittags ruhig. Im Wahlbezirk 110 hatten bis 15.30 Uhr rund 170 Wähler ihre Stimmen abgegeben. „Unüblich war, dass um die sonst ruhige Mittagsstunde viele zum Wählen kamen“, berichteten die Helfer. 
Bei seinem letzten Einsatz als Wahlleiter – der ehrenamtliche FDP-Dezernent scheidet nach dieser Legislaturperiode aus dem Amt – lieferte Seinsche noch einmal Nervennahrung aus. Als Gummibärenmann tourte er von Lokal zu Lokal, gab Tipps, guckte nach dem Rechten und verteilte viele bunte Bärchen. Das Bild in den Wahlbüros bezeichnete er als „gemütlich“, die Wähler als diszipliniert. „Sonst haben wir Kreppel oder Kuchen“, bedauerte Manfred Zwilling, der zum 20. Mal als Wahlhelfer im Einsatz war, wegen der Hygieneauflagen aber musste diesmal auf einen Imbiss verzichtet werden. Ihre Premiere als Helferin hatte Isabel Bienias, Gemeindereferentin von Christkönig. „Ich habe den Aufruf in der Zeitung gelesen, dass Helfer fehlen, und mich gemeldet.“ Sie nahm neben einer zweiten Newcomerin Platz: Filippa Ragotzky, mit 18 Jahren eine der Jüngsten. Mit Matthias Brauner stand ein erfahrener Wahlvorsteher zur Seite: „Ich mag Zahlen, und eine Wahl ist für mich zunächst eine statistische Angelegenheit“, sagte er.

Das vorläufige Endergebnis stand dann am Dienstagabend fest: Bereits das Trendergebnis am Sonntag hatte auf einen Richtungswechsel bei den Sitzverhältnissen der Stadtverordnetenversammlung hingedeutet. Die zuletzt ausgezählten kumulierten und panaschierten Stimmen haben vor allem der SPD noch ein paar Prozentpunkte beschert, doch gereicht hat es am Ende nicht, um den traditionellen Spitzenplatz zu verteidigen. Die Sozialdemokraten sind mit 19,99 Prozent (2016: 26,6 Prozent) nur noch drittstärkste Kraft und wurden von den Grünen abgelöst, die als eindeutige Wahlsieger der Kommunalwahl in Mörfelden-Walldorf hervorgehen. Während die SPD drei ihrer bislang 12 Sitze verliert, ziehen bei den Grünen nahezu dreimal so viele Kandidaten ins Stadtparlament ein als noch 2016. Dabei legt die Partei von Bürgermeister Thomas Winkler enorm an Stimmen zu und erreicht 30,64 Prozent (2016: 11,5 Prozent, 5 Sitze).
Lange Zeit lieferte sich die SPD mit der CDU bei der Auszählung ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Am Ende landeten die Christdemokraten mit 20,07 Prozent hauchdünn auf dem zweiten Rang und konnten damit ihr Wahlergebnis vor fünf Jahren verbessern (18,8 Prozent, 9 Sitze). Klarer Wahlverlierer sind die Freien Wähler, die 2016 aus dem Stand 22,8 Prozent der Stimmen (10 Sitze) auf sich vereinen konnten. Allerdings profitierten die Neulinge damals von vielen Protestwählern, die mit der Politik des damaligen rot-grünen Bündnisses unzufrieden waren. Diese Wählerschaft haben sie weitestgehend verloren, das kostet sie mit nun erreichten 10,4 Prozent die Hälfte ihrer Sitze im Parlament.
Mit diesem Votum ist auch das bislang bestehende Regierungsbündnis aus SPD, Freien Wählern und FDP abgewählt. Einzig die Liberalen gehen gestärkt aus dieser Legislaturperiode hervor. Sie polieren ihr Ergebnis von 6,5 auf 7,44 Prozent auf, die Anzahl ihrer drei Sitze bleibt davon unberührt. In der Wählergunst eingebüßt hat hingegen mit 11,45 Prozent die DKP/LL (2016: 13,9 Prozent, 6 Sitze), die ein Mandat abgeben muss. Von Ursula Friedrich

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