Fluglärm: Das Minimalziel ist erreicht

Jede Menge Reaktionen auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtshofs in Leipzig

IN DER NACHT am Boden bleiben müssen nach dem Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts die Flugzeuge am Frankfurter Flughafen. Zwischen 23 und 5 Uhr dürfen weder Starts noch Landungen erfolgen. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Jahrelange juristische Auseinandersetzungen haben in der letzten Woche ein Ende gefunden. Nach dem Urteilsspruch des Bundesverwaltungsgerichts im Revisionsverfahren um den Ausbau des Frankfurter Flughafens zeigt sich aber keiner der Prozessbeteiligten und -beobachter vollständig zufrieden.
 

Die Leipziger Richter erklärten den Ausbau des Frankfurter Flughafens zwar für rechtens, bestätigten aber gleichzeitig das Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr. Lediglich Wirtschaftsminister Dieter Posch zeigte sich zufrieden, bewertete das Urteil als einen Erfolg für die Landesregierung.
Das Minimalziel sei erreicht worden, erklärte Mörfelden-Walldorfs Erster Stadtrat Franz-Rudolf Urhahn (Grüne). Da die Stilllegung der neuen Nord-West-Landebahn in Leipzig nicht durchgesetzt werden konnte, stehe den geplanten 700 000 Flugbewegungen vorerst nichts mehr im Weg. In der Doppelstadt und der Region werde es daher sicher nicht leiser. Der Frankfurter Flughafen werde auch in Zukunft versuchen seine wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, weshalb er im Interesse der Bürger genau beobachtet werden müsse, so Urhahn weiter. In einem Planergänzungsverfahren gelte es nun zu klären, welche Bedingungen für die Nachtrandstunden – zwischen 22 und 23 und 5 und 6 Uhr – gelten sollen. Die Richter hätten dazu nur gesagt, dass die Nacht nicht zum Tag werden dürfe. Grundsätzlich sieht Urhahn weiterhin die Politik am Zug. „Im Sinne der Anwohner müssten die Fluglärmgesetze derart geändert werden, dass wir eine juristische Grundlage haben, um beispielsweise gegen nicht mehr akzeptable Flugbewegungen vorzugehen. Diese Arbeit kann uns niemand abnehmen. In diesem Fall dürfen wir nicht schlafen“, erklärte der Erste Stadtrat.
Dass bei der Lufthansa nach dem Urteil kein Jubel ausbrechen würde, war zu erwarten. In einer Pressemitteilung warnt die Fluggesellschaft vor langfristigen gravierend negativen Folgen. „Dies ist ein schwerer Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland und es besteht kein Zweifel daran, dass eines der größten Drehkreuze Europas im internationalen Wettbewerb zurückfallen wird“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa, Christoph Franz, das richterlich bestätigte Nachtflugverbot. Besonders für Lufthansa Cargo sieht Franz deutliche Nachteile. Eine Verlagerung auf andere Flughäfen sei für Lufthansa Cargo nicht möglich, da mehr als die Hälfte der Frachtgüter an Bord von Passagiermaschinen über Frankfurt transportiert würden. „Frankfurt ist für unser Geschäftsmodell unverzichtbar“, so der Vorstandsvorsitzende.
Auch das Bündnis der Bürgerinitiativen gegen eine Flughafenerweiterung und für ein Nachtflugverbot sieht keinen Grund, sein Engagement für ein Reduzieren der Lärm- und Umweltbelastungen einzustellen. „Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kann nicht der Endpunkt, sondern nur der Anfang des Weges in die richtige Richtung sein“, heißt es in einer Stellungnahme des Bündnisses. Die Ausbaugegner hoffen, dass Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) sich nach dem Richterspruch an sein Wort hält, und das Nachtflugverbot nicht blockiert. Hier sei aber Misstrauen angebracht, da Zusicherungen für eine Lärmminderung schon mehrfach gebrochen wurden, schreibt das Bündnis. In Leipzig hätten die Vertreter des Landes außerdem gemeinsam mit dem Rechtsanwalt des Flughafenbetreibers Fraport vehement die Zulässigkeit nächtlicher Flugbewegungen gefordert.
Als „grandioses Desaster“ für die Hessische Landesregierung bewertet die Initiative Zukunft Rhein-Main die Bestätigung des Nachtflugverbotes. Das Urteil sei eine schallende Ohrfeige für den Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) sowie Wirtschaftsminister Posch. „Beide dürfen sich ans Revers heften, die Verantwortung für den Glaubwürdigkeitsverlust der Landesregierung in Sachen Flughafenausbau zu tragen.“ Auch wenn das Urteil kein Grund zum Feiern sei, bestärke es die Menschen in der Region im Vertrauen auf den Rechtsstaat. Nun müssten aber längst überfällige Lärmobergrenzen eingeführt werden, um die Zunahme der Flugbewegungen auf ein erträgliches Maß zu begrenzen.
In der Pressemitteilung des hessischen Wirtschaftsministers wird das Urteil als Erfolg bezeichnet, da es der Landesregierung vor allem um die rechtliche Klärung des Nachtflugverbots gegangen sei. Die Rechtssicherheit in dieser Frage sei nun hergestellt. Dies sei auf die Revision der hessischen Landesregierung zurückzuführen, heißt es in der Pressemitteilung. Weiter begrüßt Posch, dass der Ausbau des Flughafens nun nicht mehr in Frage gestellt werden kann.
„Die Regierung wollte mit ihrem Gang nach Leipzig Rechtssicherheit erreichen und wurde vom Verwaltungsrichter Richter Rüdiger Rubel mehrfach für ihre fehlerhaften Verwaltungsakte gerügt“, erklärte der Vorsitzende der Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms (IGF) Dirk Treber. Bedauerlich sei, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Bau der neuen Landebahn uneingeschränkt bestätigt wurde. Weiter kritisiert Treber in seiner Stellungnahme, dass eine Reduzierung der Lärmbelastungen am Tag, die Schadstoffbelastung für Boden und Luft, der Verlust des Bannwalds, das Vogelschlagrisiko oder Wertverluste von Immobilien nicht berücksichtigt wurden.
Als ausgewogen bezeichnete Thomas Jühe, Vorsitzender der Frankfurter Kommission zur Abwehr des Fluglärms, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVG). Er schlägt vor, dass sich alle am Prozess Beteiligten umgehend im Rahmen einer zweiten Mediation zusammen setzen und nach Lösungen suchen, wie die BVG gemachten Lärmschutzvorgaben für die gesamte Nacht umgesetzt werden können.
Positiv aufgenommen hat das BVG-Urteil Flughafenbetreiber Fraport, da die Notwendigkeit des Ausbaus grundsätzlich anerkannt ist. „Ich hoffe, dass das Urteil zu einer Versachlichung der Diskussion führt und eine befriedende Wirkung auf den Diskurs um die neue Landebahn hat“, erklärte Fraport-Vorstandsvorsitzender Stefan Schulte. Der Flughafenbetreiber werde alle notwendigen Schritte einleiten, damit Vorgaben aus Leipzig so zügig wie möglich umgesetzt werden können. (seb)

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