Einst über Umwege zum Baugrund

Katholische Gemeinde Sankt Marien feierte die Weihe der Pfarrkirche vor 60 Jahren

HOHER BESUCH: Bischof Karl Kardinal Lehmann (Mitte) kam zum Festgottesdienst nach Mörfelden. Mit ihm feierten der neue Pfarrer der katholischen Gemeinde, Oliver Neumann (links), und sein Kollege aus Walldorf, Paul Nieder, die Weihe des Gotteshauses vor 60 Jahren. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Mit festlichen Orgelklängen und hohem Besuch begannen am ersten Advent die Feierlichkeiten in Sankt Marien. Zum 60. Jahrestag der Weihe ihrer Kirche begrüßte die katholische Gemeinde Mörfelden Bischof Karl Kardinal Lehmann zum Gottesdienst.
Im Anschluss wurde im Gemeindehaus weitergefeiert und auf sechs Jahrzehnte bewegter Geschichte zurückgeblickt. Dabei wurde deutlich, dass es die Katholiken in Mörfelden nicht einfach hatten und es einiger Anstrengungen bedurfte, bis die Kirche Sankt Marien am 28. November 1954 eingeweiht werden konnte.

Die Zeit und ihre Vergänglichkeit rückte Karl Kardinal Lehmann im gut besuchten Gotteshaus in den Mittelpunkt seiner Predigt. Statt sich vom Lauf der Dinge in Angst, Stress und Hektik versetzen zu lassen, solle man sich Zeit zum Nachdenken nehmen und das eigene Leben langsamer und bedächtiger angehen. Ein großes Jubiläum sei besonders dazu angetan, sich der verstrichenen Jahre zu erinnern, sagte der Bischof.
Einen Blick auf die Vergangenheit warf die Gemeinde nach dem feierlichen Gottesdienst und einem anschließenden Suppenbuffet. Vom katholischen Leben in Mörfelden berichtete unter anderem Leonhard Peez beim Erzählcafé im Gemeindehaus. Während der Reformation folgten die Gläubigen Luthers Ideen, und die katholische Gemeinde verschwand zusehends. Im Jahre 1828 führte die amtliche Statistik noch zwei Katholiken.
Im Laufe der Zeit sollte diese Zahl aber wieder ansteigen. Besonders als nach dem Zweiten Weltkrieg Flüchtlinge aus den früheren deutschen Ostgebieten in Mörfelden ankamen. Weil es hier aber kein katholisches Gotteshaus gab, musste man nach Walldorf ausweichen. Außerdem konnte das evangelische Gemeindehaus genutzt werden.
Bald kam der Gedanke von einer eigenen Kirche auf, erzählte Peez. Eine Feldkirche für Mörfelden und Walldorf nördlich des Wasserturms wurde zuerst ins Auge gefasst. Aber die Stimmung in Mörfelden, wo die Arbeiterbewegung stark vertreten war, sei antikatholisch geprägt gewesen. Aus Angst vor eingeschlagenen Fensterscheiben gab man die Idee einer Feldkirche jenseits der Ortsgrenze wieder auf, so Peez.
Im Mai 1953 kam schließlich Pfarrer Wilhelm Kraus mit dem Auftrag des Kirchenbaus nach Mörfelden. Der Bürgermeister wies der Gemeinde aber kein öffentliches Land zu, und andere Grundstückseigentümer wollten den Gläubigen keines verkaufen. Die Katholiken mussten daher einen Umweg gehen: Sieben Mitglieder erwarben Grundstücke am Wasserturm und überschrieben sie schließlich der Gemeinde, erinnerte sich Peez. Um die Stimmung zu drehen, bekam ein Mörfelder Bauunternehmen den Auftrag, das Gotteshaus zu errichten. Der Pfarrer gab die Losung aus, örtliche Geschäfte sowie Handwerker mit Einkäufen und Aufträgen zu unterstützen.
Seitdem hat sich vieles getan, und Angst vor eingeschlagenen Fensterscheiben muss die Gemeinde St. Marien schon lange nicht mehr haben. Der Kirche folgten die nächsten Bauprojekte, Gemeindezentrum und Kindergarten schufen eine breitere Basis für das Gemeindeleben. Auch Sanierungen und Erweiterungen der Kirche standen immer wieder auf dem Programm, zuletzt in den Jahren 1993 bis 1998.
Über die Kirche, ihre Bedeutung und Geschichte wurde am Sonntag bei zwei Führungen informiert. Zum Abschluss erklang noch einmal die Orgel. Kantor Benjamin Fritz aus Wald-Michelbach war eigens dafür angereist. Nach seinem Konzert sang die Gemeinde zum feierlichen Ausklang Adventslieder in ihrer 60 Jahre alten Kirche. (seb)

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