Am Airport gelten andere Regeln

Vortrag zeigte auf, wie Kommunen von Planungsverfahren ausgeschlossen werden

Mörfelden-Walldorf. Die Architektin und Raumplanerin Ute Knippenberger referierte in der Reihe „Wir und der Flughafen“ im Rathaus Walldorf. Sie berichtete unter anderem, dass sich Bauherren am Flughafen nicht denselben Regeln unterwerfen müssen wie Bauherren in den Städten.
„Ich habe erst gezögert, ob ich wirklich herkommen soll“, sagte Ute Knippenberger bevor sie mit ihrem Vortrag begann. „Man hat schon Sorge, dass man auf eine Seite gezogen wird, und ich will in keinen Topf.“ Damit hatte sie klar gemacht, wie schwer es ist, sich in der aufgeheizten Stimmung zwischen Ausbaugegnern und Ausbaubefürwortern, zwischen Profiteuren und Verlierern als Wissenschaftlerin frei zu bewegen. Sie deutete das im Laufe des Abends noch mehrmals an.
 

Das Konzept der vom Ersten Stadtrat Franz-Rudolf Urhahn initiierten Reihe „Wir und der Flughafen“ hatte sie aber offenbar doch überzeugt. Es zielt darauf, Gäste mit hoher Fachkompetenz einzuladen, ohne Rücksicht auf Lagerzugehörigkeit, um das Verhältnis zum großen Nachbarn Flughafen besser zu begreifen. Ute Knippenberger kam einen Tag nachdem sie einen Vortrag im House of Logistics and Mobility am Flughafen gehalten hatte ins Rathaus und trug ihr Referat mit dem Titel „Das Chaos regiert“ vor. Die Architektin hat ihre Doktorarbeit über die Airport City Frankfurt und die Region geschrieben.
Sie wies auch auf die Vorteile hin, die Mörfelden-Walldorf aus der Nähe zum Flughafen zieht, etwa Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum. Weiter sagte sie, dass der Beginn der Entwicklung von Airport Citys mit der Deregulierung und Privatisierung auf dem Luftverkehrsmarkt zusammenfalle. Dass der Flughafen wächst, um dann Läden anzulocken, bezeichneten in der anschließenden Diskussion einige Gäste als aberwitzig.
Ihr Hauptaugenmerk legte die Wissenschaftlerin auf die Stadtentwicklung am Flughafen. Ein Problem sei, dass am Flughafen nicht die Regeln für Bauprojekte gelten wie anderswo. Durch Nutzung des Paragrafen 34 des Baugesetzes ließe sich das übliche raumplanerische Verfahren bei Großprojekten umgehen.
Das führe zu einer ungeplanten Entwicklung und bedeute unter anderem, dass die umliegenden Kommunen keine Rechte hätten, sich nicht wie sonst üblich an den Planungsverfahren beteiligen könnten. Die Airport City sei planungsrechtlich eben doch keine Stadt. Mit der Begründung, ein Projekt sei flughafenaffin, würde stets der Paragraf 34 genutzt.
Knippenberger berichtete, das Frankfurter Parlament, das dortige Planungsamt und der Regionalverband hätten schon versucht, dies zu unterbinden. Allerdings sei es Fraport und dem politischen Führungskreis in Frankfurt gelungen, den Status quo aufrecht zu erhalten. Knippenberger glaubt, dies liege auch an den verhärteten Fronten in dem Streit, den sie als „Raumkonflikt“ bezeichnet. „Die wollten im Ausbaustreit nicht noch mehr brennende Fässer rumstehen haben.“
Auf Widerstand aus dem Publikum stieß Knippenberger an einem Punkt, an dem sie ihn wohl am wenigsten erwartet hatte. Leo Spahn wollte die Aussage, die Lage des Flughafens sei ein historischer Zufall, nicht stehen lassen. „Es war immer so geplant, hier ein internationales Drehkreuz zu schaffen, es gibt Belege dafür hier im Heimatmuseum.“
Dem stimmte der zweite Redner an diesem Abend, der Grünen-Landtagsabgeordnete Frank Kaufmann zu. „Der Flughafen in seiner jetzigen Form ist ein Schwarzbau“, sagte er. Der Nazi-Gauleiter habe die Baugenehmigung erteilt, ohne sich um Planungsrechte zu kümmern. Als 1955 die Hoheit über den Flughafen von der US-Militärverwaltung wieder auf die Deutschen überging, „wurde in der Tat sofort der Ausbau geplant.“ Dem Flughafen sei von der Politik immer alles genehmigt worden, berichtete Kaufmann aus seinen Jahren als Landtagspolitiker. Zum Beispiel sei das Einkaufs- und Kongresszentrum The Squaire rechtlich Flughafen, deswegen könnten dort die Geschäfte rund um die Uhr öffnen.
Ob denn jemals an einen Flughafenbau außerhalb des Ballungsraumes gedacht worden sei wie in München, fragte ein Gast in der Diskussion. Knippenberger sagte darauf, es sei tatsächlich schwierig, Flughäfen an der Peripherie zu bauen. Seien sie zu weit weg, ließen sie sich nicht mehr ins Infrastrukturnetz der Ballungsgebiete einbinden, seien sie nicht weit genug weg, gebe es immer noch zu viele betroffene Menschen.
Außerdem verändere sich, siehe München, auch die Gegend, in die ein Flughafen ziehe, sehr stark. Kaufmann brachte es, erneut hemdsärmeliger, auf den Punkt: „Es gibt in Mitteleuropa einfach keine Region, wo im Umkreis von 30 Kilometern keine Menschen leben.“ (ohl)

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