289. Auflage der Merfeller Kerb rund um den Dalles

Großes Programm mit Livemusik und Umzug Zwischen Tradition und Moderne

NACH OBEN DAMIT: Wie immer unter den Augen zahlreicher Zuschauer wurde am Samstag nach dem Umzug der Kerwebaum in die Höhe gestemmt. Die Mörfelder Kerb war trotz des Herbstwetters wieder ein Garant für gute Stimmung und ein abwechslungsreiches Programm.  (Foto: Friedrich)

Mörfelden-Walldorf (ula). Graue Wolken, trübe Stimmung? Von wegen. Auch unter schlechten Wettervorzeichen machte das größte Mörfelder Heimatfest am Wochenende mehrere tausend Menschen mobil.

Nachdem bereits am Freitag über 500 Gäste bei der XXL-Party mit Orange Box im Bürgerhaus in die Feiertage starteten (siehe Artikel unten), ging es am Samstag auf die Straße. Wieder erwies sich die Rückkehr der Galluskerb ins Zentrum Mörfeldens das Erfolgsrezept schlechthin, um das Traditionsfest zu dem zu machen, was es seit mehreren hundert Jahren ist: das größte Heimatfest am Ort. „Natürlich hat die Kerb heute einen anderen Charme“, erklärt Gisela Feutner, die im historischen Gewand mit ihrer SKV-Folkloretruppe beim Umzug mitmarschierte. „Am schönsten ist die Hayner Reitschul“, schwärmte die gebürtige Mörfelderin, die 1947 das Licht der Welt erblickte und als kleines Mädchen ihre Runden auf dem historischen Karussell drehte. Das doppelstöckige Nostalgiekarussell mit seinen stolzen Rössern und der klangvollen Orgel anno 1895 war auch diesmal wieder ein Anziehungspunkt. Vier Tage lang ist der Verein Hayner Reitschul allein mit dem Auf- und Abbau des Karussells beschäftigt.

Umzugsteilnehmer, befreundete Kerwegruppen und Vereine sorgten für ausgelassene Stimmung

Konkurrenz durch die moderne Verwandtschaft hat die Reitschul’ nicht: Während Fangemeinden jeden Alters hier ihre Runden drehten, kreischte das Jungvolk, das aus 17 Metern Höhe im freien Flug in die Tiefe sauste. Der Sturz aus dem „Tower“ verlangt dem Magen viel ab. Tradition und Moderne, das ist die Kerbe-Dialektik, die nicht nur funktioniert, sondern mit gelungener Mischung besticht. Wie seit Kerwegedenken zog ein quirliger Umzug durch die Straßen. Zwei Stunden sorgten Umzugsteilnehmer, befreundete Kerwegruppen und Vereine für ausgelassene Stimmung. Ein historischer Hanomag anno 1953 tuckerte mit, dahinter schwere Zugmaschinen mit lautstark feiernden Zugteilnehmern an Bord. Die Kerweborsch zeigten sich von charmanter Seite: Rosen und Küsse gab es fürs Damenvolk am Straßenrand.

Boris Johnson als Kerwebobb

Das Stellen des Baumes am Dalles zählt zu den traditionellen Komponenten des Fests. Doch wer war denn da auf dem Stuhl der Kerwebobb festgeschnürt? Mit einem deftigen Seitenhieb auf die britische Politik erhielt die Bobb das Konterfei von Regierungschef Boris Johnson. Nicht ganz einverstanden mit ihrem Schicksal baumelte die Johnson-Bobb am Kerwebaum. Ein paar Kabelbinder besiegelten ihr Schicksal und mit einvernehmlichem „Hauruck“ stand die 17 Meter lange Fichte im Nu. Nun kam es dicke: Kerwevadder Kai Schulmeyer bestieg die Leiter, wie viele seiner Vorgänger. In Protokollermanier, die 17 Kerweborsch um sich geschart, zog Schulmeyer vom Leder: Ein neuer Bojermaster, e mords Unwetter im August, e Blick iwwer de Ärrmelkanal, es gab viel zu berichten. Dass die missglückte Walldorfer Kerb, die sich in der kommenden Woche auf das Festplatztreiben reduzieren wird, dem Vadder eine Steilvorlage lieferte, sei am Rande erwähnt.

„Kerb ist harte Arbeit und nach fünf Tagen tut es weh“

Mit rosa Scherpe stach einer der Burschen aus der singenden Masse hervor: Christian Sensche schrieb Kerbegeschichte. 15 Jahre aktiver Borsch – das gab es noch nie. Dass Sensche, Spross des langjährigen Vereinschefs der Merfeller Kerweborsch Ulrich Sensche, nach dieser Ära im nächsten Jahr kürzertreten wird, mag man ihm nachsehen. Doch für die Zukunft der Kerweborschtradition hat seine Schwester Jessica Sensche gesorgt. Am inoffiziellen Kerwefreitag wurde der kleine Phil geboren, „mehr Kerb geht nicht“, sagte die frischgebackene Oma Dagmar Sensche, die mit ihrem Mädelstrupp im Kerwecafé Kuchen und Torte servierte. Die nächste Generation, die muss tatsächlich her, um den Charakter des Fests zu bewahren und es zu stemmen. Die Merfeller Kerb wird nachweislich zum 289. Mal gefeiert und daran hat ihr Trägerverein maßgeblich schuld. „Kerb ist harte Arbeit und nach fünf Tagen tut es weh“, sagte Vereinschef Denis Leistner, aber es macht tierisch Spaß.“ Der Kerweverein, eine „große Familie“, bietet gut 35 Menschen auf, die im Hintergrund an der Organisation arbeiten. Natürlich ehrenamtlich, rund ums Jahr, und „ohne Sponsoren“, so Leistner, „wir finanzieren unser Fest durch Eigenleistung.“ Und weil das klappt, gib es ein fünftägiges Riesenprogramm rund um die Galluskerb, die trotz trüben Herbstwetters als größtes Fest am Ort gefeiert wird.

 

Mehr Fotos gibt es es in der Printausgabe vom 24. Oktober oder in unserer Bildergalerie unter 

Mörfelder Kerbumzug 2019 

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