Würfe, Griffe, Drama in der Wrestling Factory

Dreimal die Woche trainieren Sportler für Showkämpfe

GENAU AUFEINANDER ABGESTIMMT sind die Bewegungen beim Body Slam, den Vivien Sciacca ausführt. Die 18-Jährige aus Mainz ist die Jüngste in der Wrestling Schule und hat schon Showkämpfe bestritten. (Foto: Scherer)

Kelsterbach (nad). Mit einem ohrenbetäubenden Knall landet Frank Schlüter-Jeßberger auf dem Rücken, niedergestreckt mit einem heftigen Schlag von Vivien Sciacca. „Come on, steh’ auf“, ruft die 18-Jährige und winkt auffordernd mit den Händen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelt sich der Kelsterbacher im Ring auf, nimmt Anlauf, wird von der jungen Frauen hochgehoben und erneut auf die Matte geschickt.

Doch keine Sorge, hier im Ring prügeln sich die Protagonisten nur zum Schein. Denn Schweiß, Schreie, spektakuläre Würfe, aber auch viel Show gehören zu einem Wrestling-Match einfach dazu. „Man muss ein bisschen selbstverliebt sein und es mögen, im Rampenlicht zu stehen“, schmunzelt Trainer Aaron Krauser. Wrestling sei eben nicht jedermanns Sache. Doch der außergewöhnliche Sport hat seine Fans – auch in Kelsterbach. Hier, im Untergeschoss eines Bürogebäudes am Südpark, hat die Schule Wrestling Factory ihren Sitz. Die Schule gehört zum Verein German Hurricane Wrestling (GHW), der 2009 in Nauheim gegründet wurde. Dort trainierten die Sportler zunächst in einer Grundschulsporthalle, suchten aber nach einem Standort mit flexibleren Trainingszeiten. Fündig wurde man in der Untermainstadt.

Verein organisiert regelmäßig Shows

Wo einst Tische und Stühle für Fortbildungen standen, liegen nun Matten für die Aufwärmübungen, außerdem ist ein Trainingsring aufgebaut. Hier wird seit Mai 2017 drei Mal in der Woche trainiert, unter der Anleitung des Vereinsvorsitzenden Aaron Krauser und seinem Kollegen Sasa Keel. Mittlerweile zählt der Verein rund 30 Mitglieder aus dem ganzen Umkreis, von denen etwa 25 auch aktiv sind. Schon als Kind habe er sich im Fernsehen die Wrestling-Kämpfe aus den USA angeschaut, erinnert sich Krauser. 2007 begann er dann selbst aktiv mit dem Wrestling, gründete zwei Jahre später den Verein und organisiert seitdem regelmäßig selbst Shows – rund zehn Shows pro Jahr. Die erste und bisher einzige Show in Kelsterbach gab es im November 2017 in der Mehrzweckhalle Nord. Gerne würde man regelmäßig eine Show in der Untermainstadt bieten, doch auf entsprechende Anfragen habe man bisher leider keine Antwort von der Stadt erhalten, bedauert Krauser.

„Das ist die klassische Gut-gegen-Böse-Geschichte“

Zwischen 150 und 200 Besucher kommen zu den GHW-Wrestling-Shows. „Und die Gruppe der Fans wird größer“, sagt Krauser. Bei den großen Shows im Ruhrpott jubeln dann schon mal 1000 Fans ihren Idolen zu. Für die Shows werden teils die US-Wrestling-Helden der Kindheit gebucht. Die geben dann auch in den Schulen Seminare. So konnte der Verein schon mal mit Christopher Chavis – bekannt als Tatanka – zusammenarbeiten, der Mitte der 90er Jahre einer der Publikumslieblinge der World Wrestling Federation war. Die Showkämpfe im Ring folgen einem Skript, das sich die sogenannten Booker ausdenken. Meist bekommt der sympathische Held hier von einem fiesen Gegner ordentlich auf die Mütze, kämpft sich dann zurück und gewinnt am Ende. „Das ist die klassische Gut-gegen-Böse-Geschichte“, erklärt Krauser, bei der das Publikum sich einfach von dem Geschehen berieseln lassen könne. „Eben Theater für Erwachsene.“ Aber auch Kinder kommen zu den Shows, die eigentlich harmlos sind. Lediglich die Extreme-Shows seien für ein älteres Publikum gedacht, so Krauser. Hier kämpfen die Wrestler schon einmal in einem Käfig. 

Wrestling kombiniert Show, Athletik und Ästhetik

Aber wo liegt der Reiz für die Sportler? „Es macht einfach Spaß, in den Ring zu steigen, die Leute zu unterhalten und eine Geschichte zu erzählen“, sagt Jasmin Schröder. Die 25-Jährige ist eine von sechs Frauen, die im Verein trainieren und reist dafür sogar einmal in der Woche aus Saarbrücken an. Stefanie Heß, 23 Jahre alt, kommt aus Darmstadt, Vivien Sciacca, mit 18 Jahren die Jüngste im Bunde, aus Mainz. 
Alle drei Frauen sind seit ihrer Kindheit und Jugend Wrestling-Fans und seit rund zwei Jahren selbst aktiv. Alle drei haben auch schon in Shows gekämpft. „Es macht total Spaß, einen eigenen Charakter aufzubauen, in die Rolle zu schlüpfen und dann auch mal das Publikum anzupöbeln“, lacht Heß. „Entweder die Leute rufen deinen Namen oder sie buhen dich aus.“
Wrestling kombiniere einfach Show, Athletik und Ästhetik, erklärt Sciacca. Auch das Publikum mache den Sport so besonders. Schwer verletzt habe sich bisher keine von ihnen – sie habe sich nur mal die Nase gebrochen, berichtet Jasmin Schröder. Verletzen könne man sich, wie bei jeder anderen Sportart, immer, sagt Krauser. In der Schule werden die Showkämpfer aber professionell angeleitet. Zuerst lernt man, wie man richtig fällt. Nach und nach kommen Griffe und Würfe dazu. Wann jemand seinen ersten Showkampf bestreiten kann, komme immer auf die Person an. Eine sportliche Vorgeschichte müsse man nicht haben, auch wenn das von Vorteil wäre. Etwas fit sollte man sein, denn das Training kann auf die Muskeln und – bei Hitze – auf den Kreislauf gehen. „Und man muss mindestens 16 Jahre alt sein“, so Krauser. 

Vertrauen und Zusammenspiel zwischen den Partnern im Ring ist wichtig

Etwas später – mit 41 Jahren – hat Frank Schlüter-Jeßberger angefangen. Seit letztem Jahr trainiert der Kelsterbacher regelmäßig in der Schule und erfüllt sich damit einen Kindheitstraum. Damals habe er im Fernsehen die Kämpfe geschaut und wollte schon als Jugendlicher selbst aktiv werden, die Idee aber mangels Wrestling-Schule in der Nähe wieder verworfen. 2018 habe seine Frau dann auf Facebook die Schule in Kelsterbach entdeckt. Nach dem ersten Training habe er sich daheim erst einmal übergeben, erinnert er sich lachend. „Der Körper ist die Extrembelastung erst mal nicht gewöhnt. Das ist Adrenalin ohne Ende.“ Aber für ihn auch ein Ausgleich zu seinem Schreibtischjob. Klar habe man am Anfang überall Schmerzen. Doch er habe relativ schnell daran gewöhnt, so Schlüter-Jeßberger. Wichtig sei das Vertrauen und Zusammenspiel zwischen den Partnern im Ring. „Das ist wie bei einem Tanz“, die Bewegungen müssten aufeinander abgestimmt sein. Überhaupt sei die gesamte Wrestling-Szene sehr familiär, man respektiere auch die Neulinge und helfe sich gegenseitig. Und durch sein Engagement im Vereinsvorstand habe er mit Tatanka den Held seiner Kindheit treffen können, erzählt Schlüter-Jeßberger mit strahlenden Augen.

Probetraining 

Elbow Drop, Body Slam und Ankle Lock – die wichtigsten Griffe und Würfe, aber vor allem, wie man sie sicher und verletzungsfrei ausführt, lernt man in der Schule Wrestling Factory des Vereins German Hurricane Wrestling (GHW). Trainiert wird montags, mittwochs und freitags von 18.30 bis 20.30 Uhr in den Vereinsräumen in der Straße Am Südpark 12. Wer in den Sport reinschnuppern möchte, kann jederzeit zu einem Probetraining vorbeischauen. Weitere Informationen über die Schule und den Verein gibt es bei Facebook unter https://www.facebook.com/GHWWrestlingFactory/ 

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