Es geht einfach nicht voran

Lange Wartezeiten bei Asylverfahren und Wohnungssuche

DIE AKTUELLE FLÜCHTLINGSSITUATION stand beim Treffen vom „Runder Tisch Asyl“ im katholischen Gemeindezentrum im Mittelpunkt. (Foto: Scherer)

Kelsterbach. Die Mühlen der Bürokratie mahlen bekanntlich langsam. Das erleben auch die nach Deutschland geflüchteten Menschen, die teils seit zwei Jahren auf ein Anhörungsverfahren für ihren Asylantrag warten.

Im Kreis Groß-Gerau warten noch rund 1500 Personen auf ihre Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), darunter auch 27 in Kelsterbach lebende Flüchtlinge. Ab dem 15. September sollen diese nun ihre Termine für die letzten, offenen Anhörungen erhalten, so Michael Bartsch vom Sozialverband Caritas beim jüngsten Treffen beim Runden Tisch Asyl.
Dass sich auf vielen Gebieten nichts tue und die Menschen lange auf eine Entscheidung zu ihrem Asylverfahren oder eine Arbeitserlaubnis warten müssen, sei eine immense Belastung, erklärte Bartsch. Er ist im ehemaligen Airporthotel der Ansprechpartner vor Ort. „Es ging einfach nicht voran“, beklagte er. 
Ansonsten sei die Situation in der Erstaufnahmestelle entsprechend der Umstände gut, berichtete Bartsch den rund 20 erschienenen Helfern im katholischen Gemeindezentrum. Das Hotel – mit 100 Plätzen die größte Einrichtung in Kelsterbach – ist mit derzeit 60 Menschen nicht voll belegt. Einige anerkannte Flüchtlinge, darunter Familien, sind bereits in dauerhafte Wohnungen umgezogen. „Das größte Problem ist der fehlende Wohnraum“, sagte Bartsch.
Das bestätigte auch Juliane Senker von der Neuen Wohnraumhilfe Darmstadt, die Partner bei der Wohnraumakquise für Flüchtlinge durch den Kreis Groß-Gerau ist: „Seit März 2016 haben wir einen Rückgang an Angeboten.“ Zusätzlich liegen häufig die Vorstellungen zwischen dem, was die Vermieter haben wollen und der Kreis gewillt ist zu zahlen, zu weit auseinander. 
„Die Menschen leiden sehr darunter, dass sie seit zwei Jahren in Deutschland sind und immer noch nicht ihren Antrag stellen können“, wusste auch die städtische Flüchtlingskoordinatorin Agneta Becker. Eine irakische Familie habe das Land wieder verlassen, auch weil sich Vorstellungen und Realität nicht gedeckt hätten, so Becker. 
Sie verwies auf ein UN-Programm, das Flüchtlingen eine kleine Prämie zahle, damit sie daheim neu und ohne Gesichtsverlust wieder anfangen könnten. „Viele schämen sich und fürchten, diffamiert zu werden, weil sie es nicht geschafft haben“, sagte Becker.
Auch wenn das letzte Sommerbegegnungscafé an der Friedensgemeinde nicht gut besucht war, will die Stadt daran festhalten. Für Mitte Oktober ist im Sportpark ein Begegnungs-café als Fußballturnier geplant, unterstützt vom BSC, der Viktoria und dem FC Türk. 
Dass immer weniger Menschen über die Grenze nach Deutschland kommen, macht sich auch in Kelsterbach bemerkbar. Laut Bürgermeister Manfred Ockel (SPD) lag 2015 der Schwerpunkt der Flüchtlingsarbeit in der Unterbringung der Menschen. In diesem Jahr soll die Integration in die Gesellschaft im Vordergrund stehen. 
Dafür gibt es ab September in Kelsterbach einen Integrationskurs für maximal 20 Personen, der rund 300 Stunden umfasst und für Flüchtlinge aus Syrien, Iran, Irak, Eritrea und Somalia vorgesehen ist. Laut Franz Neufing vom Fachbereich Soziales wird der Kurs von der Kreisvolkshochschule organisiert und mit Landesmitteln finanziert. 
Daneben organisieren ehrenamtliche Helfer Deutschkurse in der Alten Schule und im Haus Kleeblatt. Den mittlerweile vierten Deutschkurs mit aktuell 17 Teilnehmern gibt Brigitte Lamberty. Anfang des Jahres hat Reinhild Kleinlein einen Alphabetisierungskurs für sieben junge Männer gestartet. In der Petrusgemeinde helfen Freiwillige den Flüchtlingen beim Schreiben von Lebensläufen und Bewerbungen. 
Ein weiterer Schritt ist, die Flüchtlinge in Beschäftigung zu bringen. Laut Agneta Becker hat ein Afghane bei den Ferienspielen hospitiert, zehn Personen machen Praktika in der Gastronomie, der Gebäudereinigung oder als Elektriker. Zwei Flüchtlinge haben sogar eine Ausbildungsstelle gefunden – als Koch und Autolackierer.
Händeringend gesucht wird ein Freiwilliger, der die Fahrrad-AG weiterführt, da Kyle Peerless, der bisher für Flüchtlinge Räder reparierte, wieder in die USA gegangen ist.
Laut Becker bemüht sich die Stadt um eine Ehrenamtskarte für alle freiwilligen Helfer. Diese ermöglicht im gesamten Kreis Groß-Gerau Vergünstigungen bei kulturellen Veranstaltungen und soll ein kleines Dankeschön für das Engagement sein. Das nächste Treffen des Runden Tisches Asyl ist für Mittwoch, 28. September, um 19 Uhr geplant. Alle, die helfen möchten, sind herzlich dazu eingeladen. (nad)

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