Deutschländer sind Brückenbauer

Ausstellung von Müjde Karaca-Togmus befasst sich mit türkischstämmigen Deutschen

FOTOGRAFIEN und Texte von Müjde Karaca-Togmus sind derzeit in der Schul- und Stadtbibliothek zu sehen und zu lesen. (Foto: Bernhard)

Kelsterbach. „Wer ist eigentlich ein Deutschländer?“ Die Künstlerin Müjde Karaca-Togmus beantwortete während der Eröffnung ihrer Foto-Ausstellung „Deutschländer-Almanyali“ diese Frage: „Deutschländer bilden eine Brücke zwischen Deutschland und der Türkei – Deutschländer sind Türken aus Deutschland.“ Bis zum 2. November sind ihre Arbeiten während der Öffnungszeiten in der Stadt- und Schulbibliothek zu sehen.

Die türkischstämmige Kommunikationsdesignerin beschäftigte sich bereits 2008 in ihrer Diplomarbeit mit den Themen Heimat, Herkunft und Identität. Ihr neues Buch enthält Bilder, Interviews und Gespräche mit türkischstämmigen Deutschen der ersten, zweiten und dritten Generation. Zahlreiche Menschen mit unterschiedlicher Lebensgestaltung sind darin nach ihren Gefühlen für Deutschland und die Türkei befragt und fotografiert worden.
Mit ihrer fotografischen Arbeit „Zinat – Reize“ erzielte Karaca-Togmus bereits den 1. Platz des Förderpreises für Buchgestaltung der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Die Fotografien zeigen Frauen mit und ohne Schleier als Versuch eines offenen Blicks in eine andere Kultur. Diese Aufnahmen waren 2010 in der Stadt- und Schulbibliothek zu sehen.
Ein Exemplar ihres neuen Buchs lag zur Ansicht für die Besucher aus. In 16 Kapiteln geht es um die Auseinandersetzung mit Klischees und um kulturelle Vielfalt. Neben interessanten Texten und vielen Bildern hält das Buch einige Überraschungen bereit. Es enthält beispielsweise ein Daumenkino sowie ein kleines Büchlein, in dem auf die Bedeutung türkischer Namen eingegangen wird.
Wie beten eigentlich Muslime? Was denken türkische Männer über deutsch-türkische Liebesbeziehungen? Diesen Fragen geht Karaca-Togmus unter anderem nach. Sie erzählt von einem deutschen Polizisten mit türkischem Pass, einem politisch Verfolgten, der in den 80ern nach Deutschland kam, und von Gül und Wolfgang, einem türkisch-deutschen Liebespaar aus Bamberg.
„Kara Tren – der schwarze Zug“ ist ein bekanntes Volkslied von Yavuz Bingöl, das die Gefühlslage der türkischen Gastarbeiter der ersten Generation widerspiegelt, die oftmals ohne ihre Familien nach Deutschland kamen. Auch der Vater von Karaca-Togmus kam 1967 nach Nürnberg. Ein schwarz-weiß Foto aus dieser Zeit zeigt ihre Eltern.
Während viele Türken der ersten Gastarbeitergeneration immer noch von einer Rückkehr träumen, haben sich deren Kinder in Deutschland eingelebt, und ihre Kinder wiederum fühlen sich ebenfalls in Deutschland zu Hause. „Die Türken der zweiten und dritten Generation lernen die deutsche Sprache auch als Muttersprache“, erklärt die Fotografin. Sie selbst ist mit Türken und Deutschen befreundet.
In einer Gesprächsrunde hat Karaca-Togmus fünf türkischstämmige Mädchen gefragt: „Könnt ihr euch vorstellen, in der Türkei zu leben?“ Die Antworten fielen sehr unterschiedlich aus. Einige fühlten sich als Deutschländer sogar fremd in der Türkei. „Denn viele“, weiß die Künstlerin, „kennen die Türkei nur als heimisches Urlaubsziel. Was Eltern und Verwandte erzählen bedeutet Türkei.“
Für die Recherchen zu ihrem Buch befragte Müjde Karaca-Togmus Fremde, Freunde, aber auch Familienmitglieder. Levent, ihr junger Cousin, wird schließlich auch von ihr interviewt: „Sag mal Levent, bist du Türke oder Deutscher?“ Er gibt nach kurzem Nachdenken zur Antwort: „Müjde, ich bin Levent!“ (abe)

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