Vollständigen Schutz gibt es nicht

Bannwald war das erste Thema zum Start einer neuen Projektreihe des Umweltamts

THOMAS NORGALL nahm in seinem Vortrag Bezug auf die historischen Hintergründe des Bannwalds. (Foto: Schmidt)

Mörfelden-Walldorf. Immer wieder werden Bannwälder in der Region gerodet, obwohl sie doch eigentlich unter besonderem Schutz stehen. Zuletzt sorgten die Rodungen der Firma Sehring am Langener Waldsee für Aufruhr.

Zum Start der neuen Projekt‧reihe „Erlebnisreise Wald“ des städtischen Umweltamtes ging es deshalb um das Thema „Bannwald“. Etwa 20 Interessierte waren in den Sitzungssaal des Walldorfer Rathauses gekommen, um sich zu informieren.
„Im Wald unserer Region stößt man überall auf Schneisen, Zäune, Start- und Landebahnen“, veranschaulichte der Erste Stadtrat Franz-Rudolf Urhahn (Grüne). Immer mehr werde abgeholzt, die gewünschte Mobilität fordere das. Allein für die Startbahn West wurden 500 Hektar Wald gerodet, 20 Hektar waren es für die A 380-Werft, 2009 dann 282 Hektar für die Landebahn Nordost, fasste Urhahn zusammen. Bezüglich des Langener Waldsees kämpfe man an allen juristischen Fronten: Hier waren ursprünglich 80 Hektar, jetzt 60 Hektar, zum Abholzen freigegeben. Das wolle die Stadt Mörfelden-Walldorf aber auch nicht hinnehmen.
Als einen Appell an die Landesregierung formulierte Urhahn: „Der Wald ist unbedingt zu erhalten. Menschen brauchen diese Flächen, um nicht in einer Wüstenlandschaft zu leben und als Schutz vor Schadstoffen und Lärm.“
Als Expertin zum Thema war Beatrix Tappeser (Grüne) gekommen, die sich als Staatssekretärin im hessischen Umweltministerium mit den Waldgesetzen beschäftigt. „Wir haben bereits zwei Monate nach Amtsantritt den neuen Gesetzesentwurf eingebracht“, berichtete sie. Zum 16. Juli 2014 sei das Waldgesetz dann in Kraft getreten. Hierin ist wieder festgelegt, dass der Bannwald besonderen Schutz genießt. Das Gesetz war 2002 unter Ministerpräsident Roland Koch aufgehoben worden, um den Weg für den Flughafenausbau frei zu machen.
Auch im neuen Gesetz gibt es Schlupflöcher, es stellt den Vollschutz nicht mehr her: In Ausnahmefällen kann Bannwald doch noch in Anspruch genommen werden, aus „Gründen des öffentlichen Interesses zur Verwirklichung von Vorhaben von überregionaler Bedeutung oder des Aus- oder Neubaus von Schieneninfrastruktur.“
2,1 Prozent des gesamten Waldes in Hessen seien als Bannwald wieder geschützt, erklärte die Referentin. Die Messlatte für eine Inanspruchnahme liege mit dem neuen Gesetz sehr hoch. 54 Bannwälder gebe es in Hessen mit einer Gesamtfläche von 18 933 Hektar. „Bannwald ist für die Reinheit der Luft und des Wassers von besonderer Bedeutung“, hob Tappeser hervor. In der Region Rhein-Main diene er auch dem Lärmschutz. „Ein Gesetz war dringend nötig“, erklärte die Referentin.
„Bannwald ist unersetzlich“, betonte der zweite Experte auf dem Podium, Thomas Norgall, Naturschutzreferent und stellvertretender Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hessen. Historisch gesehen komme der Begriff des Bannwalds aus dem Mittelalter: Hier durfte aufgrund eines Bannspruchs durch den König nur der Adel jagen. Heute hingegen sei der Bannwald zugleich Reservat und Schutzwald und diene allen Menschen.
„Zwischen 1900 und 1960 gab es im Rhein-Main-Gebiet riesige Waldverluste: etwa 5300 Hektar“, erklärte Norgall. Hinzu kamen 2100 Hektar im Regierungsbezirk Darmstadt. Als Reaktion auch auf die große Waldrodung für die Startbahn West wurden Bannwaldflächen ausgewiesen, rund um den Flughafen entstand ein Bannwald-Gürtel. „Es sollte verhindert werden, dass der Flughafen über den Zaun wächst“. Ein Szenario, das heute erneut droht.
Das neue Gesetz stelle eine wichtige Verbesserung dar, so das Fazit Norgalls. Die Genehmigung für die Auskiesung am Waldsee wäre auf dieser Gesetzesgrundlage nicht durchgekommen, wohl aber die Pläne zur Erweiterung des Flughafens. (evs)

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