„Die Stärke ist die Einheit“

DGB: Kritik an prekären Arbeitsverhältnissen und Auseinanderdriften der Gesellschaft

ALLE TISCHE BESETZT: Rund 100 Besucher folgten der Einladung des DGB zur Mai-Kundgebung im Bürgerhaus. Aus dem Odenwald reiste Hertha Wacker an. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Während Griechenland in Schulden versinkt und in anderen Teilen der Welt die Wirtschaft ins Stocken gerät, scheint in Deutschland alles rund zu laufen. Bei der Maikundgebung des DGB-Ortsverbands wurde genau hingeschaut und das Kleingedruckte in den Fokus gerückt: Prekäre Arbeitsverhältnisse und ein Auseinanderdriften der Gesellschaft.

„Die Lage in Deutschland ist von einem Teil der Bevölkerung teuer erkauft worden“, führte Hauptredner Georg Fülberth vor rund 100 Zuhörern aus. Der Politikwissenschaftler aus Marburg erinnerte daran, dass sich Leiharbeit und befristete Arbeitsverhältnisse immer weiter ausbreiten. Phasen der Arbeitslosigkeit gehörten mittlerweile zu vielen Lebensläufen dazu. Später reiche daher oft die Renten nicht, weshalb die Altersarmut die größte Angst der Deutschen sei.
„Dass die Gesellschaft sich in Arm und Reich spaltet, hat sich mittlerweile herumgesprochen“, so Fülberth, der die Ursache dafür im Kernbereich der Gewerkschaftspolitik sieht. In den letzten Jahrzehnten sei die Lohnsteigerung stets unter dem Produktivitätszuwachs geblieben und das Erwirtschaftete ungerecht verteilt worden. Längst sei viel zu viel Vermögen von unten nach oben gewandert, worunter Beschäftigte wie Kommunen zu leiden hätten.
Etwas ändern ließe sich daran nur, wenn die Gewerkschaften ihre Position stärken und eine Umverteilung erkämpfen würden, sagte Fülberth. Die Staatskassen ließen sich etwa durch die Einführung einer Vermögenssteuer und eine Steuer auf hohe Erbschaften aufbessern. Die Produktivität der deutschen Wirtschaft und deren oftmals konkurrenzlose Produkte ließen eine solche Entwicklung zu, betonte Fülberth. Für die Gewerkschaftsarbeit sei entscheidend, dass sich Einzelgewerkschaften nicht gegeneinander ausspielen lassen. „Die Stärke ist die Einheit“, hob der Politikwissenschaftler hervor.
Die Zeit des Ausruhens sei vorbei, längst werde das Kapital wieder frech und gehe gegen die Arbeiter vor, erklärte der kommissarische Vorsitzende des DGB-Ortsverbands, Erich Schaffner. Den 1. Mai sieht er daher als wichtiger und notwendiger denn je an. Solidarität und Unterstützung seien in Arbeitskämpfen gefragt. Eine rigide Sparpolitik des Staates verschärfe die Situation nur und führe zu weiterer Arbeitslosigkeit und Armut.
„Der Mindestlohn ist endlich da, jetzt müssen wir ihn auch verteidigen“, forderte Bürgermeister Heinz-Peter Becker (SPD) in seinem Grußwort. Denn längst habe die Wirtschaft zum Angriff geblasen und verteufele den Mindestlohn als „demokratisches Monster“. Sozialversicherungsbetrug dürfe aber nicht als Kavaliersdelikt durchgehen. Auch müsse gegen die Kürzung von Zuschlägen, die Verdichtung der Arbeit und die Streichung von Urlaubstagen protestiert werden, so Becker.
Einen Blick abseits der Gewerkschaftspolitik warf Petra Schmidt von der Bürgerinitiative gegen den Flughafenausbau. Der Bau des dritten Terminals am Frankfurter Flughafen werde so oder so keine Erfolgsgeschichte. Wenn es an der nötigen Auslastung fehle, entstehe eine gewaltige Investitionsruine, falls das Terminal ausgelastet sein sollte komme es zu einer unerträglichen Steigerung des Fluglärms. Dabei lege die Bürgerinitiative den Schwerpunkt nicht nur auf den Lärm. Der enorme Wasserverbrauch dürfe genauso wenig vernachlässigt werden wie die Feinstaub- und Schadstoffbelastung sowie die klimaschädlichen Auswirkungen des steigenden Flugverkehrs, führte Schmidt aus.
Aufgelockert wurde die Maikundgebung vom Duo „Klein und glücklich“ aus Frankfurt. Die Musiker Jen Plater und Matze Schmidt sehen sich in der Tradition sozialkritischer Liedermacher. Neben Stücken von Woody Guthrie und der Ballade „Joe Hill“ hatten sie auch eigene Stücke im Programm.
Ans Mikrofon trat außerdem die Kabarettistin Marlene Schwarz alias Hertha Wacker. In einem pointierten Rundumschlag nahm sie den Politikbetrieb aufs Korn und sprach sicher so manchem Besucher aus der Seele. „Die machen nur Schrott, und wir wissen es“, stellte sie im Odenwälder Dialekt fest. Die Gewerkschaften müssten wieder mehr Einfluss nehmen und sich für die Interessen der Arbeiter einsetzen. Hertha Wacker hatte auch eine Idee parat, wie sich das Umsetzen ließe: „Wenn wir hier nur im Saal sitzen, da sieht uns keiner.“ Vielleicht müsse der Protest auf die Straße getragen werden. (seb)

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