Gefühle auf die Leinwand gebracht

Marcus Rußler und Sebastian Holl vom Wohnverbund zeigen Werke im Kunstfenster

DIE KÜNSTLERGRUPPE „Ein ägyptischer Vogel“ war zu Besuch in der Bahnhofstraße. Dort sind im Kunstfenster derzeit Werke von Sebastian Holl zu sehen, der hier eines seines Bilder präsentiert. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Ein mystischer Zahlenkosmos bestimmt den Verlauf der Landschaftspanoramen. Diese stehen im Kontrast zu den figürlichen Bildern von Menschen und Tieren.

Gemalt haben diese gegensätzlichen Werke Marcus Rußler und Sebastian Holl. Beide gehören der im Jahr 2009 gegründeten Künstlergruppe „Ein ägyptischer Vogel“ an, die im Wohnverbund der Nieder-Ramstädter Diakonie angesiedelt ist. Im Kunstfenster in der Bahnhofstraße ist aktuell eine Gemeinschaftsausstellung der beiden zu sehen.
Die Gruppe biete behinderten Künstlern Gelegenheit, sich auszuprobieren, Gefühle und Gedanken auf die Leinwand zu bringen, berichteten Adelina Fast und Anna Joosten. Die beiden Kunstpädagogik-Studentinnen leiten den wöchentlichen Mal-Treff und vermitteln neue Techniken. Mal wird mit Spachteln gearbeitet, dann mit Farben experimentiert. Dabei hat jeder Teilnehmer seinen eigenen Stil entwickelt. 
Marcus Rußler komponiert Landschaften, die festen Regeln folgen. Alles orientiert sich an Zahlen, die für Ordnung sorgen und den Bildaufbau bestimmen. Dennoch wirken seine Werke nicht statisch oder wie am Reißbrett entworfen. Dem Betrachter fallen die Zahlenregeln nicht weiter auf und einige der Bilder gehen fast ins Abstrakte. Landschaften sind dann nur noch angedeutet. 
Einen anderen Ansatz hat Sebastian Holl für sich gefunden. Schon als Kind malte er gerne, am liebsten mit verschiedenen und kräftigen Farben. Seine Motive findet er im Tierreich, Comicheften oder im Freundes- und Familienkreis. Im Kunstfenster zeigt er eine kleinformatige Serie mit einzelnen Tieren und Menschen. Es sind aber auch größere Bilder ausgestellt, die Gruppen und Menschenansammlungen gewidmet sind.
„Es ist ein tolles Angebot“, freute sich Vater Gerhard Holl über das Engagement von Adelina Fast und Anna Joosten. Denn am schlimmsten sei es, wenn behinderte Menschen keine Beschäftigung finden und alleine herumsitzen müssten. Die Künstlergruppe sorge für ein schönes Gemeinschaftsgefühl und bereichere den Alltag.
„Die Künstler werden akzeptiert“, berichtete Wohnverbundleiter Fabien Muller. Bei Ausstellungen begegne man anderen Künstlern und Kunstinteressierten auf Augenhöhe. Die Gruppe „Ein ägyptischer Vogel“ ermögliche es außerdem, ganz anders in die Öffentlichkeit zu gehen. Durch die Kunst könne man dafür sorgen, dass sich der Umgang mit Behinderten weitere normalisiere.
In den letzten Jahren habe sich auch schon vieles getan, sagte Muller. Für die 16 Mitglieder der Gruppe sei es außerdem eine schöne Gelegenheit, sich weiter zu entwickeln und ihre Werke in Ausstellungen zu präsentieren. Im Kunstfenster sind die Arbeiten von Marcus Rußler und Sebastian Holl noch bis zum 23. Februar zu sehen.
Wer die Gruppe unterstützen möchte, kann im Wohnverbund, Ludwig-Richter-Weg, für zehn Euro einen Kunstkalender erwerben, der zahlreiche Werke der Mitglieder zeigt. Mit dem Erlös werden Farben und Leinwände finanziert. (seb)

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