An die Stiche gewöhnt man sich

Die Imkerei ist ein interessantes und wichtiges Hobby – Verein hat Nachwuchssorgen

DIE BIENENVÖLKER haben in diesem milden Frühling einen guten Start hingelegt: Eric Baitinger (links) und Martin Schulmeyer vom Mörfelder Imkerverein freuen sich über das Gewimmel im Bienenstock. (Foto: Schmidt)

Mörfelden-Walldorf. Die örtlichen Imker haben Grund zur Freude: Ihre Bienenvölker kamen gut durch den milden Winter. Andererseits droht Gefahr von der Varroamilbe. Auch Nachwuchssorgen machen dem Verein zu schaffen.

Eric Baitinger zieht die Waben einzeln aus dem Kasten. Dicht tummeln sich darauf die Bienen. Er inspiziert den Futtervorrat und die Eiablage. Zur Sicherheit trägt der Mörfelder einen Imkerhut mit Schleier und einen hellen Pullover. „Helle Kleidung besänftigt die Bienen“, erklärt Martin Schulmeyer, Vorsitzender des Imkervereins. „Bei dunkler Kleidung fühlen sich die Bienen instinktiv bedroht.“ Das erinnere sie an Braunbären. Durch Selektion und Zucht seien die Bienen ohnehin weniger aggressiv als noch vor dreißig Jahren.
Den artgerechten Umgang mit den Insekten hat der 53-jährige Schulmeyer schon von seinem Vater gelernt. Inzwischen ist er der Experte für Bienen in der Doppelstadt und hat selbst 30 Bienenvölker, die er versorgt. Heute begleitet er Eric Baitinger bei der Kontrolle seiner Stöcke. Es riecht nach Brennholz. Auch das macht die Bienen friedlich: Sie gehen von einem Waldbrand aus, verkriechen sich und saugen sich mit Honig voll.
Im dritten Jahr betreut Eric Baitinger seine Bienen, aktuell hat er elf Völker. Ein Volk besteht im Frühjahr aus etwa 10 000 bis 20 000 Insekten. Bis zur Sonnenwende, wenn der Höhepunkt der Population erreicht ist, wird es eng im Stock: 60 000 Bienen tummeln sich dann darin.
Durch den Kontakt zum örtlichen Imkerverein hat sich Eric Baitinger das nötige Wissen für die Hobbyimkerei angeeignet. Sogar ein Bienenhäuschen samt Gelände im Wald nahe dem Bornbruchsee konnte der 47-Jährige übernehmen. Seit den 70er Jahren steht es dort, einst gehörte es dem Imker Karl Geiß.
Heute ist es allerdings nicht mehr üblich, die Bienen in Häusern zu halten. „Wir wissen inzwischen, dass die Honigbiene selbst für eine angemessene Temperatur sorgt und deshalb kein Haus braucht“, erläutert Martin Schulmeyer. Dafür besetzen so genannte „Heizerbienen“ leere Zellen. Äußerlich inaktiv, laufen sie auf Hochtouren, um die nötige Wärme zu erzeugen: Die Bienenlarven brauchen konstant 35 Grad. Die Kästen stehen deshalb einfach im Freien. Zwei oder drei Stockwerke hoch stapeln sie sich.
Zum „Learning-by-doing“ ist Dirk Achenbach mit dabei. Leihweise wird er in diesem Sommer erstmals zwei Bienenvölker in seinem Garten beherbergen, erste Erfahrungen sammeln und mit seiner Familie selber Honig schleudern. Vor den unvermeidlichen Bienenstichen hat er keine Angst. „Daran gewöhnt man sich“, sagt auch Schulmeyer. Er sei inzwischen nahezu immun gegen das Bienengift.
„Für den Verein wünschen wir uns mehr Nachwuchs“, bekennt der Vorsitzende. Das Durchschnittsalter bei hessischen Imkern liege bei 63 Jahren. Im örtlichen Verein sind derzeit sieben Imker organisiert, keiner jünger als 40. Immer wieder müssen einzelne aus Altersgründen aufgeben.
„Wir bieten jungen Leuten, die einsteigen wollen, viel Unterstützung“, wirbt Schulmeyer. Zeit müsse man schon investieren, aber finanziell halten sich die Kosten für die Imkerei in Grenzen: Etwa 200 Euro kostet die Grundausrüstung mit Bienenstock, Bienenvolk und Schutzkleidung. Der Verein ist zusätzlich bereit, junge Imker zu unterstützen. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Rund 20 Kilo Honig bringt ein Stock.
Die Honigbiene ist wichtig für den Erhalt der Natur. „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung, keine Pflanzen, keine Tiere, kein Mensch mehr.“ Das soll Albert Einstein einmal gesagt haben.
Ohne Imker wiederum haben Honigbienen heute keine Überlebenschance. Es gibt kaum natürliche Nistplätze und immer größer wird die Bedrohung durch die aus dem asiatischen Raum eingeschleppte Varroamilbe. Sie befällt die Drohnenbrut und ist für das seuchenartige Sterben ganzer Bienenvölker mit verantwortlich. In Deutschland gibt es keinen milbenfreien Bienenstock mehr. „Um die Varroamilbe im Griff zu haben, müssen wir regelmäßig den Bestand sichten und schnell reagieren“, verdeutlicht Schulmeyer. Beim Kampf gegen die Milbe setzen die Imker auf die Entnahme der Drohnenbrut oder den Einsatz von Ameisensäure nach der Honigernte. (evs)

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