Ausschüsse: SPD gibt sich verträglich

Auch für Die Linke/EUK ist Platz – Debatten um Bauleitplanung und Naziopfer

Kelsterbach. Vom Machtwechsel geprägt war die Stadtverordnetenversammlung, jedoch gab sich die neue Mehrheit der Koalition von SPD und Freien Wählern (FW) nur bei zwei Punkten stark: Der Auflösung und Neubildung der Ausschüsse und der Änderung der Hauptsatzung, die beide mit 20 gegen 17 Stimmen beschlossen wurden. Mit der Hauptsatzungsänderung wurden eine neue hauptamtliche und eine ehrenamtliche Stelle im Magistrat geschaffen. Durch die ehrenamtliche Stelle erhält die SPD die Mehrheit im Magistrat zurück, so wie es die Verteilung ursprünglich auch vorsah. Eine Besetzung der hauptamtlichen Stelle kann erst nach Aufnahme in den Haushalt 2013 und nach Ausschreibung und Berufungsverfahren vermutlich frühestens im Spätjahr 2013 erfolgen.
 

Auch die Aufstellung des Bebauungsplans für das Ticonagelände fand Mehrheiten, unterschiedliche bei jedem einzelnen von elf Punkten. Bruno Zecha kritisierte das „beschleunigte Verfahren“ und legte für die WIK drei Änderungsanträge vor, von denen er zwei wieder zurückzog. Obwohl es, wie Jürgen Zeller (SPD) sowie Bürgermeister Manfred Ockel betonten, nur darum gehe, den Bebauungsplan auf den Weg zu bringen, wollte die WIK ein „in der vorliegenden Fassung zur Kenntnis genommen“ statt eines „gebilligt“ einfügen lassen.
Zechas Bedenken, die Stadt hätte nach dem Ja zur Aufstellung keine Möglichkeiten mehr einzugreifen und Änderungen einzubringen, versuchten Zeller und Ockel zu zerstreuen. Tenor ihrer Erklärungen war, dass das Parlament bis zuletzt über alles zu befinden habe. Der Forderung nach Gutachten jetzt, setzten sie entgegen, Gutachten würden nach dem Beschluss erstellt und durch die Fachbehörden geprüft, danach entscheide wiederum das Parlament. Bei den in den vergangenen Jahren auf den Weg gebrachten Bebauungsplänen von Enka- und Ticonagelände sowie Staudenäcker sei das gleiche Procedere abgelaufen.
Michael de Frênes (CDU) erklärte, das Verfahren werde zwar so wie bei anderen angewendet, aber, fragte er, sei das das Richtige? Denn letztendlich erhalte der Stadtverordnete am Ende ein Konvolut (Wust von Papieren, d.Red.), das ihn überfordere.
Die einzige Änderung, die Eingang in die Planung fand, war eine Protokollnotiz der WIK unter Punkt 11 „Abschluss eines städtebaulichen Vertrages“, dieser soll im Laufe des Bebauungsplanverfahrens mit dem Grundstückseigentümer (Fraport AG) verhandelt und der Stadtverordnetenversammlung zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt werden. Dass dies auch in der HGO (Hessischen Gemeindeordnung) so niedergelegt sei (Ockel), störte Zechas Befürchtungen nicht. Für ihn gelte das geschriebene Wort.
Zumindest die SPD scheint aus dem vergangenen Zeitraum, in dem sie in der Opposition war, gelernt zu haben. Bei der von ihr geforderten Auflösung und Neubildung der Ausschüsse, erhöhte sie die von ihr noch im Haupt- und Finanzausschuss genannte Zahl der Mitglieder von 10 auf 11. So kann die Fraktion Die Linke/EUK auch in den Ausschüssen ihre Stimme abgeben und nicht nur mitsprechen.
In die neuen Ausschüsse entsenden die SPD 5, die WIK 2, die CDU 2 Mitglieder, die FW und Fraktion Die Linke/EUK jeweils ein Mitglied. Die Neubildung der Ausschüsse erfolgt an dem jeweils nächsten Sitzungstermin; für den Haupt- und Finanzausschuss ist das der Donnerstag, 12. Juli.
Der Bericht über die Entwicklung des Haushaltes wurde beinahe nur zur Kenntnis genommen, bis Kristian Furch (CDU) den Kämmerer, Kurt Linnert, frontal angriff. Er warf ihm vor, seine vom Parlament vorgegebene Aufgabe, aufzuzeigen, wo die 15-Prozent-Kürzung des Haushalts greifen werde, nicht erfüllt zu haben. Linnert antwortete, von ihm nicht gewohnt, ziemlich heftig, und schilderte kurz, was die mit dem Haushalt betreuten Verwaltungsmitarbeiter alles geleistet hätten. Furch sprach trotzdem von einem „lustlosen Zwischenbericht“.
Hin und her ging es auch bei der Entschädigungssatzung, die die Freien Wähler geändert wissen wollten. Auch die Arbeitsgruppen des Ausländerbeirates sollen für die Teilnahme an Sitzungen entschädigt werden. Die Wellen schlugen hoch, die Opposition zeigte sich mit der ihr vorgelegten Geschäftsordnung des Beirates nicht zufrieden. Bürgermeister Ockel erklärte schließlich, die Entscheidung ob die Satzung geändert werde, sei Sache des Parlaments. Die Geschäftsordnung sei Sache des Ausländerbeirates. Die Prüfung der Geschäftsordnung und die Prüfung, ob die Auszahlungen rechtens seien, sei wiederum Sache der Verwaltung. Mit 22 Ja-, 15-Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen wurde die Änderung beschlossen.
Heftig ging es auch beim Antrag der Fraktion Die Linke/EUK betreffs Gedenken an die Opfer im Durchgangslager Kelsterbach zu. Zu diesen Opfern hätten auch kleine Kinder gehört, erklärte Jens Wiegand (Die Linke), der auch kurz seinen geistigen Mentor, Leo Spahn, benannte. Von den drei Antragspunkten wurden zwei komplett verworfen. So wollte Jens Wiegand ein Schild gleich dem Ortsschild an zentraler Stelle oder an den Haupt-Ortseinfahrten aufgestellt wissen, mit der Inschrift „Kelsterbach hat keinen Platz für Rassismus“. Gegen 20 Nein-Stimmen kam diese Idee nicht an. Viele Parlamentarier der CDU enthielten sich dabei der Stimme, obwohl schon im Haupt- und Finanzausschuss klar wurde, dass Fraktionschef de Frênes dem Antrag nicht zustimmen konnte.
Letztendlich wurde mit 25 Ja-Stimmen einzig der von der SPD abgeänderte Punkt 1 angenommen, in dem der Magistrat aufgefordert wird, die Geschehnisse im Durchgangslager Kelsterbach von 1939 bis 1945 aufzuarbeiten. (wn)

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