Portrait einer ungewöhnlichen Frau

Peter Härtling las zugunsten von „Room to Read“ aus seinem Buch „Liebste Fenchel“

BITTE MIT WIDMUNG: Peter Härtling hatte nach seiner Lesung im Kino viele Bücher zu signieren. (Foto: Sonnabend)
 

Mörfelden-Walldorf Von Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen war im 19. Jahrhundert nicht viel zu spüren. Darunter litt die Komponistin Fanny Hensel-Mendelssohn, die, obwohl hochbegabt, ihr musikalisches Talent nicht in der Öffentlichkeit ausleben durfte.
Ihrem jüngeren Bruder Felix Mendelssohn-Bartholdy wurde dies dagegen ganz selbstverständlich ermöglicht. Fanny musste sich um die familiären Belange kümmern, das Geldverdienen blieb damals den Männern vorbehalten, da es für Frauen als unschicklich galt. Die Komponistin ließ sich von Vater und Bruder allerdings nicht unterdrücken, sondern verfolgte ihre Ziele mit Geschick und Raffinesse.
In seinem neuesten Roman „Liebste Fenchel“ nimmt Peter Härtling sich dieser ungewöhnlichen Frau an. In einigen Episoden schilderte er am Donnerstag während einer Benefiz-Lesung das Leben der Komponistin in der Zeit um 1800. Im etwas abgedunkelten Kino in Walldorf lauschte das Publikum gebannt Härtlings sonorer Stimme.
Als Fanny vier Jahre ist, kommt ihr Bruder Felix zur Welt. Zunächst kann sie es kaum erwarten, dass er größer wird. Später ist das Verhältnis der beiden gespannt, da Fanny versucht, ihren jüngeren Bruder immer wieder zu übertreffen.
Ihr bleibt der Erfolg, der ihrem Bruder Felix zuteilt wird, jedoch verwehrt. Erst nach dessen beruflichem Aufstieg gelingt es ihr, musikalisch im Mittelpunkt des damaligen Berlin zu stehen. Sie wird Programmchefin der im Haus Mendelssohn stattfindenden Sonntagskonzerte. Trotz der Differenzen pflegen die Geschwister stets einen intensiven Kontakt und gehen sehr liebevoll miteinander um.
Härtling erzählte, wie Fanny ihren späteren Ehemann, den Maler Wilhelm Hensel, kennenlernt, der sie in ihren musikalischen Unternehmungen unterstützt. Dennoch lassen sich Fannys künstlerische Ambitionen während einer Italienreise nicht verwirklichen.
Am Ende der Lesung schilderte Härtling sehr einfühlsam den Tod der Komponistin, die an den Folgen eines Schlaganfalls stirbt. Bruder Felix, der davon erst drei Tage später erfährt, reagiert geschockt und bereut, nicht mehr für seine Schwester getan zu haben. Er selbst stirbt nur ein halbes Jahr später.
Peter Härtling ging völlig in seiner Lesung auf, hob beim Vorlesen immer wieder betonend die linke Hand und verzauberte das Publikum mit seiner Erzählungen über die Familie Mendelssohn und das gesellschaftliche Leben zu dieser Zeit. Das Publikum lauschte, lachte und litt mit Fanny. „Ich fange sofort an zu lesen und habe dabei Ihre Stimme im Ohr“, sagte nach der Lesung eine Frau zu Härtling. Begleitet wurde der Schriftsteller bei der Lesung von Friederich Haller am Klavier mit Kompositionen von Fanny Hensel-Mendelssohn.
Die Veranstalterinnen, „Das Netzwerk – Unternehmerinnen für Sie vor Ort“, spenden den Erlös der Lesung der Organisation Room to Read, informierte Sabine Thiel. Room to Read möchte in den Entwicklungsländern so vielen Kindern wie möglich Zugang zu Bildung verschaffen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen in der Schulbildung erreichen, erklärte Karin Schwegler, die ehrenamtlich für Room to Read tätig ist und ihre Organisation zu Beginn vorstellte.
Rund 790 Millionen Analphabeten gebe es weltweit. Seit der Gründung im Jahr 2000 habe „Room to Read“ in Nepal, Vietnam, Kambodscha, Indien, Sri Lanka, Laos, Südafrika, Sambia und Bangladesch rund 1500 Schulen und 12 600 Bibliotheken gebaut sowie 590 Kinderbücher publiziert. Schwegler hob hervor, dass etwa 83 Prozent der Spenden in die Projekte fließen würden. Das sei im Vergleich zu anderen Organisationen ein hoher Anteil.
Die Idee zur Lesung entstand, nachdem eine der Netzwerk-Frauen von Härtlings Roman begeistert war und Kontakt zu Room to Read aufgenommen wurde. Die Veranstalterinnen freuten sich, dass die Lesung in einem fast ausverkauftem Kino stattfand. Rund 120 Karten wurden verkauft (ine).
Zusammen mit den Erlösen aus dem Bücherverkauf an diesem Abend kamen rund 1800 Euro als Spende zusammen, die für den Bau einer Grundschule in Nepal verwendet werden sollen.
 

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