Sportkreis Groß-Gerau: Bei den Klubs ruht seit Monaten der Betrieb

Mehr als 4600 Mitglieder haben gekündigt / „Vereinssport ist ein Grundbedürfnis“

Vereinssport ist derzeit gar nicht, oder nur eingeschränkt möglich. Die Vereine und deren Mitglieder belastet die Situation. (Foto: Koslowski)

Kreis Groß-Gerau. Seit Monaten ruht bei vielen Sportvereinen der Betrieb gänzlich oder kann nur eingeschränkt angeboten werden. In der Halle oder im Schwimmbecken ist Sport derzeit überhaupt nicht möglich. Viele Vereine berichten von Austritten der Mitglieder, nicht zuletzt wegen der temporär eingestellten Betriebe. Die Rechnung dieser Mitglieder ist einfach: keine Leistung, keine Gebühren zahlen. 

Gerald Kummer, Vorsitzender des Sportkreises Groß-Gerau, nennt zur Veranschaulichung einige Zahlen: So etwa gehören der Dachorganisation der dem Landessportbund angeschlossenen Vereine des Kreises aktuell 249 Klubs an, die insgesamt auf eine Mitgliederzahl von 81 789 kommen. Die Mitgliederzahl sei um 5,7 Prozent zurückgegangen, informiert Kummer. Dies sind in absoluten Zahlen 4662 Mitglieder.
„Das ist ein Riesenproblem für die Finanzen der Vereine“, stellt Kummer nachdenklich fest. Stark betroffen seien Vereine mit einem besonderen Sportangebot, die etwa ein Fitnessstudio unterhalten, für deren Nutzung Mitglieder Sonderbeiträge leisten müssen. Sie hatten zuletzt einen enormen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen. Wenn diese Sportangebote nun jedoch nicht mehr zur Verfügung gestellt werden können, treten die Mitglieder aus dem Verein aus. Kummer macht darauf aufmerksam, dass die Vereine für die wegfallenden Sonderbeiträge weder vom Bund noch vom Land eine Entschädigung erhalten. Der Bund stelle Mittel für den wirtschaftlichen Geschäftsbereich, also etwa für fehlende Einnahmen beim Verkauf von Speisen und Getränken, für Eintrittsgelder für gesellige Veranstaltungen und für die Vermietung von Sportanlagen bereit. Dagegen gebe es vom Land keine Mittel im ideellen Geschäftsbereich, also unter anderem für fehlende Mitgliedsbeiträge und Aufnahmegebühren. Und es werde auch erst geholfen, wenn ein Verein vor der Insolvenz steht. Habe ein Verein Rücklagen gebildet, müssten diese zunächst aufgebraucht werden. 

„Wenn ein Verein vor der Insolvenz steht, ist es zu spät“

Kummer erzählt von einem Brief, den er an den Hessischen Minister des Inneren und für Sport, Peter Beuth (CDU), geschrieben habe. Darin regte er an, die Strukturen zu ändern. „Wenn ein Verein vor der Insolvenz steht, ist es zu spät“, unterstreicht der Sportkreisvorsitzende. Ihm sei bisher kein Verein bekannt, der Insolvenz habe anmelden müssen. Einige Klubs befänden sich dennoch in einer prekären Situation, haben ihre Rücklagen aufgebraucht. Zahlen über gefährdete Vereine lägen ihm nicht vor. Verständnis bringt Kummer für Mitglieder auf, die einen Verein verlassen, weil sie wegen Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit nicht mehr den finanziellen Hintergrund haben, ihre Mitgliedsgebühr zu bezahlen. Ihn trägt gleichwohl die Hoffnung, dass diese Menschen zu den Vereinen zurückkehren werden, wenn ihr Sport wieder möglich ist. „Der Vereinssport hat Zukunft, er ist ein Grundbedürfnis des Menschen“, sagt der Sportkreisvorsitzende.  In dem Zusammenhang erinnert Kummer auch an den ursprünglichen Vereinsgedanken, der eben nicht mit einer bloßen Dienstleistung einhergegangen sei. „Vereine zu unterstützen war der eigentliche Gedanke“, betont Kummer. Im 19. Jahrhundert sei es etwas ganz Besonderes gewesen, dass sich Vereine unter den absolutistischen Landesfürsten gegründet hätten. Denn die Mitglieder hätten sich somit der Aufsicht des Staates entzogen.

Hoffnung, dass bald Sport im Freien wieder uneingeschränkt möglich ist

„Wenn sich Vereine auflösen müssen, wäre das eine gesellschaftliche Katastrophe“, warnt Kummer. Vereine deckten den grundsätzlichen Bedarf an Bewegung ab, hätten aber auch eine gesellschaftliche und soziale Funktion. „Kinder und Jugendliche lernen, sich in der Gemeinschaft zurechtzufinden“, sagt er. Dasselbe gelte für den Schulsport, der derzeit ebenfalls gar nicht, oder nur eingeschränkt stattfindet. Bewegung, Gesundheit und das faire Miteinander stünden hier im Fokus. Er hoffe, dass zumindest Sport im Freien bald wieder uneingeschränkt möglich sein werde. Aber auch Sport in der Halle müsse mit einer gewissen Testkapazität angeboten werden können. Schulschwimmen ist derzeit nicht möglich, weil die Kommunen ihre Hallenbäder geschlossen haben. Er habe daher auch einen Brief an Landrat Thomas Will (SPD) sowie den Kreis als Schulträger und das Landesschulamt geschrieben und darin gebeten, die warme Jahreszeit zu nutzen, um die Freibäder zu öffnen, aber auch auf die Kommunen Einfluss zu nehmen, die Hallenbäder für den Schwimmunterricht zur Verfügung zu stellen.
Auch der Sportkreis selbst bleibt von der Pandemie nicht unberührt: Der Dachverband besteht heuer seit 75 Jahren. Eine Wanderausstellung, ein Familienfest und eine Sportgala waren geplant, berichtet Kummer. Die Jubiläumsveranstaltungen seien nun um ein Jahr verschoben worden. Außerdem stehe im Mai die Sitzung des Sportkreistages an, der im dreijährigen Rhythmus zusammenkommt. Diese wurde in den Juli verschoben. Es sei eine Präsenzsitzung geplant, nicht zuletzt, weil Vorstandswahlen anstünden. Eine Videokonferenz würde mehrere Tausend Euro kosten. Das Geld solle besser in den sportlichen Bereich und in Serviceleistungen gesteckt werden, betont Kummer. Von Rüdiger Koslowski

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