Im Zweifel für den Angeklagten

Mord in Walldorf: Prozess gegen Kelsterbacher endet mit einem Freispruch

MORDPROZESS BEENDET: Der Angeklagte Mehdi B. wurde vor dem Darmstädter Landgericht freigesprochen. (ch)

Mörfelden-Walldorf/Darmstadt. Der Fall hatte überregional für Schlagzeilen gesorgt: In Walldorf wurde am 7. August 2013 ein Geschäftsmann in seinem Büro mit zahlreichen Messerstichen ermordet und in der Dusche abgelegt. Da der Täter den Wasserhahn aufgedreht hatte und stundenlang kaltes Wasser über das Opfer gelaufen war, konnte der Todeszeitpunkt nur schwer eingegrenzt werden. Als mutmaßlicher Täter wurde der Kelsterbacher Mehdi B. festgenommen. Er soll bei dem Opfer 40 000 Euro Schulden gehabt haben.

Dass er sie nicht zurückzahlen konnte, wurde im Prozess vor dem Darmstädter Landgericht klar. Er war hoch verschuldet und verspielte sein Geld in der Wiesbadener Spielbank. Zudem war er wegen Betrugs bereits verurteilt und verbüßte dafür als Freigänger eine Haftstrafe.
Und genau hier lag für die Staatsanwaltschaft das Problem. Am Tag der Tat musste Mehdi B. abends wieder ins Gefängnis einrücken. Konnte er trotzdem der Täter sein? Da der genaue Todeszeitpunkt nicht feststellbar war, hätte die Tat auch geschehen können, als er längst wieder im Gefängnis war. Zudem gab es am Tatort und auch an der Kleidung von Mehdi B. keinerlei Spuren, die auf ihn als Täter hingedeutet hätten.
Ein klarer Indizienprozess also. Der Angeklagte hatte bereits am ersten Prozesstag ein Schild vor sich hergetragen, auf dem er seine Unschuld beschwor und forderte, der Täter solle sich stellen, damit er, Mehdi B., für seine Frau und seine beiden Kinder sorgen könne.
In der Beweisaufnahme wurde auch deutlich, dass das Opfer von einem Bekannten massiv bedroht worden war, weil er angeblich mit dessen Frau ein Verhältnis hatte. Dieser Bekannte hält sich aber nicht mehr in Deutschland auf. Niemand weiß genau, wo im Ausland er sich befindet. War er der Täter?
Jedenfalls war die Anklage von Staatsanwältin Nina Reininger auf Mord aus niederen Beweggründen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Sie hatte lebenslange Haft für Mehdi B. gefordert.
Richter Volker Wagner sprach von einem schwierigen Verfahren, an dessen Ende er „im Zweifel für den Angeklagten“ entscheiden müsse. Wagner zählte noch einmal die Fakten auf, die sich aus der Beweisaufnahme ergeben hatten. Mehdi B. borgte sich immer wieder Geld. Zuletzt wollte er einen Autohandel betreiben, an dem die Geldgeber mitverdienen sollten. Doch statt Autos zu kaufen, verzockte er das geliehene Geld im Spielcasino. Deshalb stand er erheblich unter Druck.
 Einige Gläubiger wollten ihr Geld umgehend zurück. Geld, das Mehdi B. nicht mehr hatte. Hat er deshalb einen Gläubiger aus dem Weg geschafft, um so einen Teil der Schulden nicht mehr bezahlen zu müssen? Oder wollte er bei dem Walldorfer Geschäftsmann, von dem bekannt war, dass er öfter größere Geldsummen in seinem Büro aufbewahrte, Geld stehlen?
Doch das Büro war nach der Tat weder durchsucht worden, noch waren Behältnisse aufgebrochen. Und selbst wenn die Tatzeit so eng als möglich eingegrenzt würde, könnte Mehdi B. nur schwer der Täter sein, weil er anhand seiner Handyauswertung zwar an diesem Tag auch am Tatort, später aber auch deutlich davon entfernt eingeloggt war. Er sei in Walldorf gewesen, um mit seinem Gläubiger über die Rückzahlungsmodalitäten zu sprechen.
„Vielleicht hat es auch einen zweiten Täter gegeben“, mutmaßte Wagner. Dem Angeklagten schrieb er ins Stammbuch: „Das war haarscharf.“ Denn wegen seiner Vorstrafen könnte Mehdi B. beim kleinsten Vergehen wieder ins Gefängnis einrücken. Ob er in Freiheit nun ein unbeschwertes Leben genießen kann, ist fraglich. Zwar hat er in der Untersuchungshaft bereits eine Therapie wegen seiner Spielsucht begonnen, doch ihm sind nach wie vor zahlreiche Gläubiger auf den Fersen.
Nach dem Freispruch gab es Jubel im Gerichtssaal, wo viele Familienangehörige und Freunde den Prozess verfolgt hatten. (ch)

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