Ein unbequemes Denkmal

Zwei Originalteile der Startbahnmauer wurden an der Hüttenkirche eingeweiht

ELEMENTE DER STARTBAHNMAUER stehen als Denkmal neben der Hüttenkirche und erinnern an den großen Widerstand gegen die Flughafenerweiterung. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf (seb). Der Protest gegen den Bau der Startbahn West war enorm und prägt die Stadtgeschichte bis heute. Errichtet werden konnte die Startbahn nur, weil eine 6,4 Kilometer lange Betonmauer das riesige Baugrundstück schützte. Hinter dieser Mauer gingen Polizisten in Stellung, davor demonstrierten Bürger und auf der Mauerspitze war Stacheldraht angebracht. Mittlerweile ist die Mauer demontiert, ein moderner Sicherheitszaun trat an ihre Stelle. Zwei der Betonelemente stehen nun aber neben der Hüttenkirche am Vitrolles-Ring, wo sie nun als unbequemes Denkmal eingeweiht wurden. 

Den Transport vom Flughafen neben die kleine Holzkapelle organisierten Museumsleiterin Cornelia Rühlig und die Vorsitzende des Förderkreises Hüttenkirche Wilma Frühwacht-Treber. Zusammen mit der Hüttenkirche stehe die Mauer für zwei Seiten einer Medaille, betonte Frühwacht-Treber.

Die Mauer als bittere Erinnerung für viele Menschen

Als Teil des Hüttendorfs war die Kirche ein zentraler Ort des Widerstands, die Mauer habe die Menschen von dem verhassten Bauprojekt getrennt, sagte die Vorsitzende rückblickend. Den Protest gegen die damalige Flughafenerweiterung sieht sie als einschneidendes Ereignis, das die Verhältnisse in Hessen grundlegend veränderte. Damals kämpfte man nicht nur für den Erhalt des Waldes, sondern auch für eine funktionierende Demokratie, sagte Frühwacht-Treber. Heute wüssten Kinder und Jugendliche wenig bis nichts über die Auseinandersetzungen, ergänzte Museumsleiterin Rühlig. Daher sei es wichtig, die Mauer als Denkmal in Mörfelden-Walldorf zu haben. Gleichwohl sei klar, dass es für viele Menschen eine bittere Erinnerung sei. 
Auch wenn der Startbahnbau nicht verhindert werden konnte, sahen viele Besucher die Protestbewegung nicht als gescheitert an. Ohne den Widerstand gebe es heute kein Nachtflugverbot und der Flughafen hätte sich noch weiter ausgebreitet, betonte eine ältere Dame. Von einer Niederlage gegen die Staatsmacht könne daher keine Rede sein.

Politik hat sich letztlich über die Interessen der Region hinweggesetzt

„Der Protest hat vieles in Bewegung gebracht“, sagte der erste Kreisbeigeordnete Walter Astheimer. Damals selbst unter den Demonstranten, habe er eine völlig neue Dimension der Solidarität erlebt. Dennoch habe sich die Politik letztlich über die Interessen der Region hinweggesetzt. Dabei erinnerte Astheimer an „überharte Polizeieinsätze“, aber auch an die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte. Damit sei die friedliche Protestkultur 1987 schließlich abrupt beendet worden. Das Mauerdenkmal solle nicht nur dem Rückblick dienen, machte Bürgermeister Heinz-Peter Becker klar. Vielmehr gehe es darum, zu überlegen, was Flughafenbau und der breite Widerstand für die Zukunft bedeuteten. 
Neben den politischen Einordnungen gehörte zur Einweihungsfeier ein kleines Konzert. In der Hüttenkirche spielten Bodo Kolbe und Ralf Baitinger die Songs „Senkrecht wie die Sparschel“, „Mir koche vor Wut“, den „Rundfunk Rag“ und eine umgetextete Version von Reinhard Meys „Über den Wolken“. Als Kampflieder der Startbahnbewegung gingen sie ins kollektive Gedächtnis der Region ein und so konnte auch fast jeder mitsingen. „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“, hörte man so von einem leisen Chor an der Hüttenkirche. 

Die Startbahnmauer wurde 1981 zum Schutz der Bauarbeiten errichtet. Während der Auseinandersetzungen wurde sie immer wieder angegriffen und teilweise aufgebrochen. Außerdem nutzte man sie als eine Art Wandzeitung, bemalte sie, brachte Forderungen und Slogans auf den Beton auf. Auf den Elementen an der Hüttekirche steht „Weiterarbeiten am Modell Deutschland“. 

Lesen Sie außerdem:

Ausstellung: Journalist Walter Keber dokumentiert die Geschichte der Startbbahnmauer

Noch keine Bewertungen vorhanden

HerunterladenQR Code URL: https://www.freitags-anzeiger.de/33630


X