Über 60 Kilo Plastik im Bauch

Umweltschützer zeigt katastrophale Zustände der Meere und qualvoll verendete Tiere

BLUE AWARENESS: Schüler der Klasse 5H1 und Gäste verfolgen die Diskussion im Wasserturm. (Foto: Postl)

Mörfelden-Walldorf (pos). „Wer war schon einmal am Meer?“, fragt Christian Weigand in die Runde der Schüler und Besucher der Veranstaltung „Blue Awareness“ – Blaues Bewusstsein. Fast alle Hände gehen hoch.

„Dann schließt mal eure Augen und denkt kurz nach, was ihr dort gesehen, gehört, gerochen und geschmeckt habt“, fordert der 29-jährige Umweltaktivist auf. „An was erinnert ihr euch?“, wendet sich Weigand an die anwesenden Schüler der Klasse 5H1 der Bertha-von-Suttner-Schule. Die Antworten reichen vom Wetter, durch das Watt laufen, Strandspielen bis hin zum Boot fahren. „Habt ihr Müll gesehen?“, setzt er nach und erlebt, dass er ein Thema ins Spiel bringt, das zwar alle interessiert, aber kaum jemand zu einem Handeln inspiriert.

Jeder weiß um die Problematik, aber irgendwie scheinen alle davor kapituliert zu haben

„Jeder weiß um die Problematik, aber irgendwie scheinen alle davor kapituliert zu haben“, erklärt Weigand. Genau dieses Nichtstun, mit Blick auf den Zustand der Meere, war auch für Andrea Winson, Vorsitzende des Projektes Wasserturm, der Anlass, Christian Weigand zu engagieren. „Auch wir, weitab vom Meer, können was tun. Dies wollen wir mit dieser Veranstaltung erreichen“, erklärt sie. Die Idee, den Meeresschützer Christian Weigand in den Wassersturm zu holen, hatte Christina Jonczyk-Seeliger, Pädagogin an der Bertha-von-Suttner-Schule. 
Weigand erzählt wie er nach dem Abitur nach Neuseeland, den Cook Inseln und Australien reiste. Dort traf er auf einen Surfer, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den Menschen das Surfen auf hohen Wellen zu vermitteln und bei ihrer Rückkehr Plastikteile vom Strand mitzunehmen. Bald kam eine Beach Clean-Aktion in Gang. Mittlerweile sind die Surfer dort als „Ocean Warrior“, also Kämpfer für den Ozean bekannt. Weigand kehrte in seine Heimat in die Schwalm zurück und studierte Betriebswirtschaftslehre. Da seine Begeisterung für das Meer geblieben war, hängte er ein Studium Volkswirtschaftslehre dran. Er nahm sich als Master-Arbeit die Einflüsse des Menschen auf das Meer vor und war drin in dem Thema, das ihn nicht mehr loslassen sollte. 

Fünf Trillionen Plastikteilen treiben bereits im Meer 

„Ich will ein neues Bewusstsein schaffen, nicht auf Basis von Daten und Fakten, sondern durch das Vermitteln von belegbaren Zuständen, die allein von uns Menschen geschaffen wurden“, erklärt Weigand. Dennoch bietet er zunächst ein paar Zahlen, so wie jene, dass die unvorstellbare Menge von fünf Trillionen Plastikteilen bereits im Meer treiben. „Nur ein Prozent sehen wir an der Oberfläche, 70 Prozent sind auf den Meeresboden abgesunken und der Rest ist dazwischen“, sagt Weigand. Dann präsentiert er ein Bild von einem verendeten Albatros, in dessen Magen sich lauter kleine Plastikteile befanden. „Mit diesen Dingern haben ihn seine Eltern in bester Absicht gefüttert, denn die wissen nicht, dass es über 100 Jahre dauert, bis sich das Plastik zersetzt und dann ist es immer noch nicht verschwunden“, sagt Weigand. Noch schrecklicher das Video, als einem verendeten Wal über 60 Kilo Plastikfolie aus dem Magen geholt und einer Schildkröte ein Plastikstrohhalm aus der Nase entfernt werden muss. Als sich das Spiel eines jungen Delfins mit einer Plastiktüte plötzlich wendet, weil die Henkel der Tüte das spitze Maul des Fisches umschlungen haben und er es mit immer größerer Verzweiflung versucht loszuwerden, wird es vielen Schülern zu viel. Sie wenden sich ab, eine Schülerin beginnt zu weinen und muss von ihrem Vater nach draußen gebracht werden. „So müssten wir alle reagieren“, sagt Weigand.
Er zeigt auf verlassene Gemüse-Plantagen auf Gran Canaria, deren riesige Folien nicht ordentlich entsorgt, sondern sich selbst überlassen und ins Meer geweht werden. Er verweist auf unseren Beitrag zur Umweltverschmutzung. „Allein der Abrieb unserer Autos wird in den Boden gespült und verseucht dort über Jahrhunderte den Boden“, sagt Weigand. Er zeigt viele Beispiele auf, wie dennoch jeder einzelne beitragen kann, dass weniger Plastik in die Umwelt gelangt. „Neben den großen sichtbaren Plastikteilen sind vor allem die Mikroteile ein Problem.“
Was ist die Lösung? „Nicht die Welt retten wollen, denn das wird mit einer Enttäuschung enden. Vielmehr in kleinen Schritten sich etwas Bestimmtes vornehmen“, lautet sein Rat. Einen To-Go-Becher aus Bambus mitnehmen, nicht einzeln in Plastik verpacktes Gemüse kaufen oder gerade bei Deko-Artikeln solche aus Papier verwenden. „Jeder muss seine Idee auch umsetzen, wenn das viele machen, dann erreichen wir viel“, sagt Weigand.

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