Rundgang mit Experten durch die Streuobstwiesen Mörfelden-Walldorf

Gießen, pflegen und erziehen: Hitzeschäden des Sommers sind allgegenwärtig

Allerlei nützliche Tipps und viel Detailwissen hielt Apfelbaumfachmann Werner Nussbaum für die Teilnehmer eines Streuobstwiesenrundgangs parat. (Foto: Friedrich)

Mörfelden-Walldorf (ula). Obstbauern, Hobbygärtner und Naturschützer treibt eine Sorge um: Haben Streuobstwiesen in Zeiten des Klimawandels eine Überlebenschance? „Wir haben in letzter Zeit viele Anfragen“, berichtete Gabriel Siebert von der Unteren Naturschutzbehörde. Darum hatte die Kreisbehörde kürzlich zu einem Rundgang zwischen den Stadtteilen eingeladen. Wegen der Coronapandemie war die rund dreistündige Exkursion auf knapp 30 Menschen beschränkt, der Kurs war ausgebucht.

Im Rödergewann genießt die Landschaft aus Hecken, Obstbäumen und Feldgehölzen einen besonderen Schutzstatus. 133,65 Hektar umfasst der von Bäumen, Feldgehölzen und Hecken geschützte Landschaftsbestandteil. Über verdorrtes Gras setzte sich die Teilnehmergruppe in Bewegung. Die Schäden des trockenen, heißen Sommers sind allgegenwärtig. „Ihr habt hier außerdem noch ein ganz anderes Problem“, sagte der „Apfel“-Sachverständige Werner Nussbaum. „Ihr habt hier Sandboden!“, kein gutes Vorzeichen für den Apfelanbau. Doch gerade dieser Boden ist ein lokales Markenzeichen von schützenswertem Charakter. 101,65 Hektar Sandmagerrasen zwischen Mörfelden und Walldorf sind Flora-Fauna-Habitat (FFH-Gebiet), Biotopschutz für Tier- und Pflanzenarten auf EU-Ebene. Der hiesige Nabu leistet hier große Anstrengungen, um Gehölze zu erhalten, Feldholzinseln anzulegen, aber auch bedrohten Arten, wie dem Steinkauz, ein Rückzugsgebiet zum Überleben zu bieten. 

Forschung steckt noch in den Kinderschuhen

Wie die Zukunft von Streuobstwiesen im Angesicht der Erderwärmung aussieht? Auch Pomologe Nussbaum wusste keine Antwort. Nur diese: „Die oberste Voraussetzung ist die Pflege – wer die nicht leisten kann, lässt besser die Finger davon.“ Welche Obstsorten den Klimawandel vertragen, diese Forschung „steckt in den Kinderschuhen – in zehn bis 15 Jahren wissen wir mehr“. Aufschluss geben kann die Baumkartierung, die Nussbaum in der Region vornimmt, „20 000 Bäume habe ich bereits erfasst.“ Er ist ein Verfechter der „alten Sorten“. Warum? Mehr Aromavielfalt, weniger Anfälligkeit für Krankheiten, lauten seine stichhaltigen Argumente. Der Apfelbaumfachmann lieferte dann bei dem Rundgang allerlei nützliche Tipps und viel Detailwissen: „Ihr müsst den Stamm mit einer Bürste richtig säubern“, erläuterte Nussbaum beispielsweise, dann die Stammschutzfarbe aufbringen, um das Holz vor Frost und Hitzeschäden zu bewahren. Wo Verletzungen eingetreten sind, helfe ein Hausrezept: An einem jungen Bäumchen machte sich der Pomologe mit dem Kneippchen zu schaffen, ritzte und erklärte, dass nun die Selbstheilungskräfte des Baums die nötige Reparatur vornehmen.

Erderwärmung wird exponentiell zunehmen

Es gibt Wissen en masse – nur kein Patentrezept. „Das Problem mit den südlichen Baumarten ist: Sie vertragen keinen Frost“, beantwortete Nussbaum beispielsweise die Frage, ob Bäume aus mediterranen Regionen zukunftstauglich sind. „Meine Prognose ist, dass es mit der Erderwärmung exponentiell weitergeht“, sagte Jürgen Pons, Phänologe des Deutschen Wetterdienstes und Mitbegründer der Klimainitiative Mörfelden-Walldorf. „In 30 Jahren bekommen wir noch mal zwei Grad mehr.“ Gießen, pflegen und erziehen, so lautete das Rezept, das Werner Nussbaum verordnete. Auch mit einem wirtschaftlichen Fokus: „1,5 Tonnen Obst muss die Baumkrone tragen können.“ Auf die Frage aus der Teilnehmerschar: „Was will mer mit all dene Äppel?“ hatte der Apfelspezialist freilich eine hessische Antwort: „Äppelwoi.“

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