Ruf nach Solidarität

Gut besuchter Weihnachtsgottesdienst an der Hüttenkirche

DAS FRIEDENSLICHT von Bethlehem gab Pfarrer Jochen Mühl an die Gläubigen weiter. (Foto: Dormehl)

Mörfelden-Walldorf. Die Hüttenkirche ist ein besonderer Ort. An Heiligabend zieht es immer wieder hunderte Gläubige zu dem symbolträchtigen kleinen Gotteshaus zwischen Mörfelden und Walldorf. 

Rund 200 Menschen trotzten beim Gottesdienst dem kalten und windigen Wetter. Im Mittelpunkt stand die Geschichte von Jesu Geburt, die dieses Mal aus der Sicht des einfachen Mannes, symbolisiert durch die Hirten, beleuchtet wurde. 
Unter der Leitung von Ralf Baitinger begleitete der Chor „Xang” den Gottesdienst musikalisch. Sie sangen Klassiker wie Stille Nacht und Kommet, ihr Hirten. „Hirten waren Leute aus dem Volk. Zwar keine besonders privilegierten Menschen, jedoch verfügten sie über viele Kompetenzen wie Mut und gute Naturkenntnisse”, erzählte der evangelische Pfarrer Jochen Mühl.
Heute würden politische Amtsträger als Hirten bezeichnet, die die Verantwortung und die Fürsorge für ihr Volk tragen. Was dieser umkämpfte Begriff „Volk” bedeute, fragte Mühl in seiner Predigt. „Ist er die Abgrenzung des einfachen Mannes zum Establishment, oder fasst er die Angehörigen einer Nation zusammen, die die selbe Sprache sprechen?” 
„Wir sind das Volk”, war in der ehemaligen DDR der Protestruf der Bürgerrechtsbewegung gegen die SED-Diktatur, die ebenfalls das Wort „Volk” für sich beanspruchte. Die Protestler wollten sich gegen die Institutionen wehren, die ihrer Meinung nach nicht im Interesse des Volkes handelten. „Wenn heute der gleiche Ruf ertönt, sollen damit Regierende diffamiert werden. Was aber der Volkswille ist, davon haben die neuen Skandierer dieses Rufes ihre eigene Vorstellung”, so Mühl.
Der Walldorfer Pfarrer wies darauf hin, dass die Gesellschaft immer weiter auseinanderdrifte. Das sei nicht der Wille von Jesus. In der Weihnachtsgeschichte werde der Ruf nach Solidarität und der Überwindung von Mauern zwischen den Menschen laut. Der Pfarrer rief dazu auf, dass die Gesellschaft wieder näher zusammenrückt und die Außenseiter der Gesellschaft, wie die Hirten es waren, inkludiert werden. Gerade Jesus habe sich verstärkt den Außenseitern gewidmet. 
 Wie geschichtsträchtig die Hüttenkirche als Zeichen des friedlichen Protestes ist, betonte Jochen Mühl in seinem Abschlusswort. Er verwies auf die Foto-Dauerausstellung von Walter Keber in der kleinen Holzkirche. Diese dokumentiert den bis heute andauernden Konflikt um den Ausbau des Frankfurter Flughafens. 1980 wurde das Hüttendorf im Flörsheimer Wald erbaut und ein Jahr später geräumt. Die Hüttenkirche konnte dank eines Einsatzleiters der Polizei gerettet werden, da dieser sich weigerte eine Kirche abzureißen.
 1986 wurde die Hüttenkirche zwischen den Stadtteilen der Doppelstadt wieder aufgebaut und ist damit das einzige Überbleibsel des Hüttendorfs. Die Trägerschaft haben die evangelischen Kirchengemeinden von Mörfelden und Walldorf sowie der Förderkreis Hüttenkirche übernommen. Die Ausstellung kann während der Öffnungszeiten der Hüttenkirche angeschaut werden. Im Anschluss an den Gottesdienst konnten sich die Besucher das Friedenslicht von Bethlehem mit nach Hause nehmen. (dor)
 

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