Reisebüros bleiben in der Corona-Krise nicht nur die Kunden weg

„Wir werden mehrfach bestraft“ – Veranstalter fordern Provisionen zurück

MÜSSEN DERZEIT ZAHLREICHE STORNIERUNGEN BEARBEITEN: Kerstin Lenz und Patricia Feger. (Foto: Schüler)

Mörfelden-Walldorf (msh). Viel Arbeit, aber keinen Umsatz hat derzeit das Reisebüro von Patricia Feger in der Walldorfer Ludwigstraße. In der Reisebranche leiden vor allem die kleinen Ladengeschäfte ganz besonders und müssen hohe Umsatzeinbußen sowie eine geschäftliche Unsicherheit verkraften.

„Wir werden sogar mehrfach bestraft von der Branche“, berichtet Patricia Feger. „Wir betreiben einen großen Aufwand, um unseren Kunden einen unvergesslichen Urlaub zu bereiten. Jetzt durch die Corona-Pandemie sind wir die Überbringer schlechter Nachrichten für die Kunden, da ja alles abgesagt und storniert werden muss. Dabei sind wir auch die Adressaten der Ängste und der Enttäuschung mancher Kunden. Wir arbeiten dann auch noch mehr als vor der Krise, um die ganzen Stornierungen zu bearbeiten oder Alternativen anzubieten. Und dann kommen die Reiseveranstalter auch noch und buchen unsere Provisionen für die verkauften und nun stornierten Reisen zurück.“

Das Duo fühlt sich von den Reiseveranstaltern alleine gelassen

Seit dem Beginn der Corona-Krise mit verschärften Maßnahmen ist das Ladenlokal geschlossen und Patricia Feger und Kerstin Lenz kümmern sich um die Wünsche und Belange ihrer Kunden per Mail, Telefon und Whatsapp von zu Hause aus. Dabei fühlt sich das Duo auch von den Reiseveranstaltern, für die sie in guten Zeiten die Geschäfte anbahnen und vermitteln, alleine gelassen. „Die Veranstalter ziehen die Provision zurück, aber sonst haben wir Probleme diese hinsichtlich der Abwicklung der Stornierungen zu erreichen. Es gibt auch kein Signal an die Reisebüros wie es weitergeht oder wie wir verfahren sollen“, so Feger weiter. Kerstin Lenz kann dies nur unterstreichen und geht sogar noch ins Detail. „Wir sollen bestenfalls den Kunden eine Umbuchung zu einem späteren Zeitpunkt schmackhaft machen, aber inmitten dieser Krise weiß ich aufgrund dieser Verfahrensweise manchmal nicht, ob ich dies den Kunden guten Gewissens empfehlen kann“, sagt sie dazu. Zu präsent ist bei dem Duo die Insolvenz von Thomas Cook und die daraus entstandenen Probleme bei Buchungen, Buchungsausfällen und Stornierungen. „Es gibt zwar einen Reisesicherungsschein bei Pauschalreisen, aber der ist meist gedeckelt. Bei Thomas Cook waren es 110 Millionen Euro und die waren schnell weg“, erklärt Feger weiter. So sieht sie die in der Branche diskutierte Idee der Ausgabe von Gutscheinen auch mit gemischten Gefühlen. „Wenn diese Gutscheine von der Regierung abgedeckt werden, dann ist alles gut. Geht aber ein Anbieter insolvent als Folge der Krise, dann hilft auch der Gutschein nicht mehr viel. Da gibt es derzeit viele Diskussionen drum, denn es ist nicht absehbar wie es weitergeht und wie lange wir noch mit den Einschränkungen zu leben haben.“

„Insgesamt gehen unsere Kunden mit der Krise gut um“

Neben den Stornierungen lang erwarteter Urlaubsfreuden, löst das Duo aber auch die Probleme ihrer Kunden, die derzeit noch im Urlaub sind oder bis vor Kurzem noch waren. „Wir hatten ein Paar, das in Südafrika eine Individualreise gebucht hatte. Sie wollten beim Ausbruch der Krise nach Hause und wir haben ihnen geholfen einen Flug zu bekommen. Dann wurde der Lufthansa Flug abgesagt, also haben wir sie auf South African Airlines gebucht. Auch der Flug wurde storniert“, berichtet Feger von dieser nicht nur für die Reisenden anstrengenden Erfahrung. Über Paris gelang es ihr, ihre Kunden nach Europa zu holen. „Der direkte Weiterflug hätte aber fast mehr gekostet als die Langstrecke, andere Alternativen wie Mietwagen und Zug haben wir auch ausgelotet. Letztlich konnten sie übernachten und am anderen Tag für einen ‚vernünftigen’ Preis weiterfliegen“, so Feger. Zwei ihrer Kunden sind zudem auf Weltreise, einer wurde per Rückholflug aus Australien geholt, beim zweiten wartet sie noch auf Rückmeldung aus Mittel- oder Südamerika.
„Insgesamt gehen unsere Kunden mit der Krise gut um, Frust entlädt sich eher selten. Das Verständnis ist sehr hoch“, sagt sie dazu. Und sieht sogar einen Lichtblick am Horizont. „Wir haben gestern eine Reise verkauft: nach Ägypten im kommenden Dezember. Hoffentlich ist bis dahin alles ausgestanden.“

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