Protest am Margit-Horváth-Zentrum gegen die Zerstörung von Infotafeln

Angriff auf das friedliche Miteinander

Große Betroffenheit am Horváth-Zentrum: Bereits zum zweiten Mal wurden Informations- und Gedenktafeln des Lehrpfads beschädigt. Man müsse von einem politischen Hintergrund ausgehen, sagte Bürgermeister Thomas Winkler (am Mikrofon) bei seiner Ansprache. (Foto: Schüler)

Mörfelden-Walldorf (msh). „Was für einen Mensch braucht es, diese Tafeln zu zerstören?“, fragte Studentin Lea in ihrer Ansprache anlässlich des Protests an der Gedenkstätte der KZ Außenstelle Walldorf am Sonntagnachmittag. Mehrere hundert Teilnehmer teilten diese Auffassung und zeigten ihren Unglauben über die mutwillige Zerstörung von fünf der zwölf Tafeln des Lehrpfads, der die Geschichte der Außenstelle und ihrer Bewohner während der NS-Zeit aufzeigt.

Bereits zum zweiten Mal wurden die Informations- und Gedenktafeln des historischen Lehrpfads beschädigt, eine Tat, für die die Anwesenden und Bürgermeister Thomas Winkler deutliche Worte fanden. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es sich bei der Zerstörung nur um Vandalismus handelt. Man muss von einem politischen Hintergrund ausgehen“, sagte Winkler, der in diesem Zuge auch den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, den Anschlag von Hanau und den versuchten Anschlag in Halle anführte, als Auswüchse der gewaltbereiten rechten Szene.

Stadt steht für eine offene und tolerante Stadtgesellschaft

Dass es in Walldorf überdurchschnittlich viele rechtsextreme Strömungen gäbe, wollte der Verwaltungschef weder bestätigen noch dementieren. Vielmehr sprach er von einer Vielzahl politischer Ansichten in der Doppelstadt und betonte die friedlichen Initiativen, die so entstanden sind. „Mörfelden-Walldorf steht seit vielen Jahrzehnten für eine offene und tolerante Stadtgesellschaft, die Position bezieht und sich engagiert“, erklärte Winkler. Dabei nannte er die Margit-Horváth-Stiftung, das Integrationsbüro, die Aktion Toleranz und die „Omas gegen Rechts“, die sich zahlreich zu dieser Veranstaltung versammelt hatten. „Wir dürfen nicht müde werden, unsere Meinung zu sagen, auch gegen Vorkommnisse wie diese.“
Museumsleiterin Claudia Battistella zeigte sich ebenso erschüttert von den Vorkommnissen. Sie berichtete davon, dass die Tafeln teilweise mit roher Gewalt aus dem Sockel oder aus der Erde gerissen worden wären. „Dieser Vandalismus ist auch ein Angriff auf unser respektvolles und friedliches Miteinander in Mörfelden-Walldorf“, erklärte sie unter dem Applaus der Zuhörer. Sie sprach sich entschieden dagegen aus, ‚gesellschaftsfähigen Rassismus’ entstehen zu lassen und diesen zusammen mit dem Antisemitismus zur Normalität werden zu lassen.
Battistella und die Mitarbeiter der Gedenkstätte forderten die Täter auf, nicht nur feige Gedenktafeln zu beschädigen, sondern den Mut zu haben, in den Dialog mit den Mitarbeitern einzutreten. „Mit Steinen gegen Bilder von inhaftierten Frauen werfen? Wir wollen mit ihnen darüber reden“, besagte ein aufgestelltes, an die Täter gewandtes Schild an der Gedenkstätte – ein Angebot, das durchaus ernst gemeint ist, aber sicher aus Angst vor den Konsequenzen des eigenen Handelns ungenutzt bleiben wird.

„Wie kann man nur eine Tafel mit so gewaltigem Inhalt zerstören?“

Anschließend ließ sie mehrere Schülerinnen und Studentinnen zu Wort kommen, die sich in den vergangenen Jahren mit ihrer Arbeit an der Gedenkstätte engagiert haben. Sie berichteten von den Inhalten der zerstörten Tafeln, deren Beschädigung alle Referentinnen als politische und gesellschaftliche Botschaft ansahen. „Klara Mayer, eine der damals inhaftierten Frauen, sagte, dass ihr Wort immer ‚Überleben’ war. Die zerstörte Tafel 10 behandelt genau dieses Wort: Überleben. Hier stand der Überlebenswille der Inhaftierten im Vordergrund sowie der Mut und die Kraft der Frauen. „Wie kann man nur eine Tafel mit so gewaltigem Inhalt zerstören?“, fragte Madiha in die Runde und blickte in viele ratlose und erschütterte Gesichter. „Die Zerstörung der Tafeln ist ein Versuch, den Überlebenden ihre Stimme zu nehmen. Aber die Erinnerung kann man nicht nehmen, egal wie dreckig der Versuch auch ist. Daher: nicht mit uns“, fügte eine weitere Schülerin der Bertha-von-Suttner-Schule hinzu. Gerne als Teilnehmerin zur Gedenkstätte gekommen war Abiturientin Jasmin Becker. Sie freute sich, dass so viele Menschen gekommen waren, um ein Zeichen zu setzen. „Das zeigt, das nicht zur zu Hause im Stillen getrauert wird, sondern die Menschen bereit sind, auch etwas gegen diese Zerstörung zu tun.“

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