Er macht dem Leben Beine

Florian Sitzmann hat einen Schicksalsschlag mit positiver Energie gemeistert

EIN HALBER MANN? Nur optisch. Der Autor Florian Sitzmann meistert alle Herausforderungen. Am 26. Oktober liest der Roßdorfer im Bürgerhaus Mörfelden. (Foto: Friedrich)

Der Freitags-Anzeiger lädt in Kooperation mit der Volksbank Darmstadt-Südhessen eG zu einer Veranstaltung mit Florian Sitzmann ein. „Dem Leben Beine machen“, lautet der Titel der musikalischen Lesung mit Florian Sitzmann und Olli Roth. Zu erleben sind Autor und Musiker am Donnerstag, 26. Oktober, ab 19 Uhr im Bürgerhaus Mörfelden. Der Eintritt kostet zehn Euro. Anmeldungen unter 06151 157–3040 oder www.volksbanking.de/sitzmann

Mörfelden-Walldorf/Roßdorf. Mit 15 Jahren verlor Florian Sitzmann bei einem Motorradunfall beide Beine. Am 31. August 2017 feierte er mit Familie und Freunden sein 25-jähriges Jubiläum im Rollstuhl. Ein Freudentag? „Warum nicht?“, meint der 41-Jährige, „für mich ging das Leben ja gut weiter.“ 
Er nippt an seinem Kaffee, möchte später mit seiner Frau die Gartenhütte streichen – eines von vielen Dingen, die am neuen Haus noch zu tun sind. Ein modernes Eigenheim, das Florian Sitzmann mit seiner Familie, Ehefrau, drei Kinder und ein Schäferhundmischling, seit zwei Jahren bewohnt. 
Während er durch die Küche wirbelt, Tee aufkocht, das ein oder andere wegsortiert, erzählt er. Warum er auch ohne Beine vorprescht. Das Schicksal, das ihm einen Tiefschlag bescherte, mit positiver Energie meistert, an den Hörnern packt und dem Leben die besten Seiten abgewinnt. 
„Ich bin ein positiver Mensch“, diese Lebenseinstellung manifestiert sich in zwei Büchern, ein drittes ist in Arbeit. „Der halbe Mann – dem Leben Beine machen“, sein 2009 erschienener Erstling ist Programm. Nachdem ihn der Unfall ausbremste, startete der einst 2,04 Meter große Recke ein zweites Leben. Im Rollstuhl, aber dank seines Esprits wie beflügelt. 
Diesen Elan möchte er weitergeben, ein Vorbild sein für Menschen mit und ohne Handicap. 2001 entdeckte der Roßdorfer das Fahrradfahren für sich. Frei nach der Maxime, „keine halben Sachen“ trat er 2002 bei den deutschen Meisterschaften der Handbiker an – und siegte. Es folgte ein weiterer Titel, der Triumph, als Zweiter bei den Weltmeisterschaften durch Ziel gebraust zu sein.
Dann der Rückschlag: Bei der Olympiade in Athen hatte er in zwei Läufen einen Materialschaden. Nach einem halben Jahr Verdruss rappelte sich Florian Sitzmann auf. Trainierte und fuhr einen Ultramarathon in Norwegen: 540 Kilometer in 30,5 Stunden.
„Ich bin so begeistert von meinem Leben, dass die Agenda der Dinge, die ich tun möchte zu lang ist“, sagt er lächelnd. Florian Sitzmann machte zwei Jahre nach seinem schweren Unfall eine kaufmännische Lehre. Fasste mit dem für ihn typischen Elan Fuß. Maxime: „Keine halben Sachen, friss oder stirb.“ Der junge Mann arbeitete sich hoch, übernahm in mehreren Unternehmen leitende Positionen, ein Tausendsassa, der auch als Pressesprecher des Darmstädter Schlossgrabenfests eine tolle Zeit hatte. Dann aber auf die Bremse trat, „es ging mir nicht so gut.“
2007 war er Mitbegründer eines Sozialprojekts in Mannheim. Xavier Naidoo und die Söhne Mannheims waren Impulsgeber für „Aufwind“, eine Einrichtung für von Armut betroffene Kinder im Grundschulalter. Anfang 2012 veröffentlichte Sitzmann sein zweites Buch: Bloß keine halben Sachen – Deutschland ein Rollstuhlmärchen. Mit einem dritten Werk möchte er nachlegen, erzählt er, hat außerdem Pläne für einen Comic. 
Doch zuerst geht es an die Gartenhütte: „Die habe ich selbst gebaut – bis auf das Dach.“ (ula)

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