Historisches Pfingstturnier des SV Tell Mörfelden

Für viele geht es auch um das Lebensgefühl des 18. Jahrhunderts

LAGERLEBEN WIE VOR 250 JAHREN: Beim Vorderlader-Pfingstturnier der Tell-Schützen verwandelte sich das Gelände an der B 486 in ein historisches Camp. (Foto: Friedrich)

Mörfelden-Walldorf (ula). Über Pfingsten wurde bei den Schützen kräftig an der Uhr gedreht. Es ging zurück ins 18. Jahrhundert, als man mit donnernden Vorderladerbüchsen auf imposante Bisons schoss und europäische Auswanderer einen neuen Kontinent in der „neuen Welt“ sukzessive eroberten. Gut 25 Siedlerfamilien hatten ihre historischen Zelte auf dem Gelände des SV Tell Mörfelden an der B486 aufgeschlagen.

„Wir sind hier wie eine große Familie“

Und das schon Tage, bevor der Startschuss zum eigentlichen Pfingstturnier fiel. Dem mittlerweile 46., das der Mörfelder Traditionsverein über drei Tage lang mit großem Programm ausrichtete.
„Wir sind hier wie eine große Familie“, erklärte Tell-Chef Norman Müller mit Blick auf die internationalen Gäste. Dass etliche Schweizer seit Jahrzehnten im Outfit von Trappern, Siedlern und Co. an Pfingsten in Mörfelden campieren, ist einem Zufall zu verdanken. „Auf dem Rückweg eines Hollandurlaubes haben ein paar Schweitzer bei uns übernachtet“, erinnerte sich Müller. Und weil nicht nur das Fleckchen idyllisch, sondern der damalige Tell-Vorsitzende Tom Schlappner ein geselliger Pfundstyp ist, hat sich die Freundschaft bis heute gehalten. Ja, ist sogar Multiplikator, denn die Schweizer Delegation ist angewachsen und auch aus Holland kamen wieder befreundete Schützen mit Wohnmobil zu Besuch.

220 Starts an drei Tagen

Natürlich ging es auch um den Sport: 220 Starts an drei Tagen wurden auf den Schützenständen gezählt, rund 60 Schützen visierten das Ziel an. „Diesmal gibt es eine Hawken Rifle Kaliber 45 zu gewinnen“, erklärte Schriftführer Michael Altmann. Hierbei handelte es sich um einen nostalgischen Nachbau des Vorderladergewehrs, mit dem man um 1750 schoss. In Lederwams, mit Dreispitz, Fransenjacke und Cowboy-Kluft wetteiferten die Schützen um den Sieg. Und auf so manchem donnernden Sportgerät waren Jahreszahlen aus dem 19. Jahrhundert eingraviert.
Vor den Schützenständen, die im Vorjahr allesamt saniert wurden, durfte ebenfalls geschossen werden. Allerdings mit top moderner Munition und einer Pistole, die trotz ihres Aussehens formal keine ist. Die Airsoftpistole dürfen dafür schon Kinder ab acht Jahren abfeuern, so Tell-Schütze Erik Schöneberger. Und die Munition, eine Mischung aus Maisstärke und Zellulosepapier, ist sogar vegan. Am Kinder-Schießstand legten kleine Cowboys in Westernmanier auf zehn Scheiben an. „Unsere Jugendarbeit läuft recht gut“, lautete die Bilanz des Vereinschefs. Im kommenden Jahr kann Tell vielleicht erstmals zwei Jugendteams für die Rundenkämpfe melden.

Für viele zählt das Lebensgefühl

Im historischen Pfingstlager stand der Sport für viele an zweiter Stelle. Patricia Beetschen, im selbst genähten Gewand einer frühen Siedlerin, reist seit Jahrzehnten von Zürich nach Mörfelden, „Schießen ist aber nicht mein Sport“, erklärte die Schweizerin schmunzelnd. An der langen rustikalen Holztafel im Lager war frisch gebrühter Kaffee serviert worden. Es wurde geschnitzt, gehäkelt und geplaudert. Sämtlicher Hausrat, vom gusseisernen Topf bis zu Zelt und Bettstatt waren Rekonstruktionen aus dem 17. Jahrhundert. Auch die Gewänder. „Meistens fängt man mit einem karierten Hemd an“, sagte Tell-Schützin Sibylle Simon, die jedoch schnell an der historischen Lunte roch und nun vollständig in die Vergangenheit abgetaucht ist.
Abgerundet wurde das gesellige Miteinander anno vorgestern noch mit einem echten Schmankerl: Am Abend sorgten Molly Alone mit irischem Sound im 25-Meter-Schützenstand für tolle Stimmung während der Whiskey in die Gläser floss.

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