Ganz neue Aromen im Bierglas

Andreas Wohlsperger entwickelt in seiner Brauerei Faselbräu eigene Kreationen

EINE ABFÜLLANLAGE bringt das Bier in die Flaschen, die Etiketten muss Andreas Wohlsperger mit der Hand aufkleben. (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf (seb). Wer es in früheren Jahren auf tierischen Nachwuchs anlegte, brachte Ziegen oder Kühe in die Hintergasse zum Faselstall. Denn hier in der Mörfelder Altstadt wurden die vielversprechendsten Zuchttiere der Gemeinde gehalten. In dem einstigen Stall ist mittlerweile die Brauerei Faselbräu zuhause. Andreas Wohlsperger paart hier Hopfensorten aus dem Familienanbau zu fruchtigen, süffigen und rauchigen Bier-Geschmacksrichtungen.

Hopfen mache den Unterschied und bringe ungewohnte Aromen ins Bier, erzählt der 39-jährige Brauereibesitzer. Dass er seine eigenen Rezepte in Flaschen füllt, liegt nicht zuletzt an seinem Studium in den USA. Einem Land, das der deutsche Biertrinker nicht unbedingt mit der Königsklasse des Gerstensafts verbindet. 
So ging es auch Andreas Wohlsperger als er im Jahr 2000 in die USA übersiedelte und noch fest davon überzeugt war, dass das beste Bier natürlich aus Deutschland kommt. Doch dann entdeckte er Craftbiere, die dort schon weit verbreitet waren und mittlerweile auch in Deutschland immer beliebter werden. Bei den handwerklich und regional hergestellten Craftbieren geben in der Regel Hopfensorten den Ton an, um die große Brauereien eher einen Bogen machen. Will ein Craftbrauer noch weiter gehen, setzt er etwa noch auf Fruchtpüree, Kräuter oder die Lagerung in Whiskyfässern. 
Die Experimentierlust der US-Craftszene sorgte für neue Geschmackserlebnisse, die Wohlsperger bald nicht mehr missen wollte. Angesichts der großen Bierauswahl in den USA war selbst zu brauen aber kein Thema. Erst als er 2012 nach Australien umzog und dort nichts Leckeres vorfand, setzte er sein eigenes Bier an. „Es hat schrecklich geschmeckt“, meint er und lacht. 
Mit Freunden wurde ein Bierclub gegründet, Eigenkreationen und Tipps ausgetauscht. Und natürlich begann man auch rumzuspinnen, wie toll es doch sei, eine eigene Brauerei aufzumachen.
Ernst wurde es damit, als das erste Kind zur Welt kam und es zurück nach Deutschland gehen sollte, um näher bei der Familie sein. Für den zukünftigen Wohnsitz hatte Andreas Wohlsperger klare Vorstellungen: Ein Haus mit Charakter, genügend Platz zum Brauen, in einer Stadt ohne eigene Brauerei. Mit dem einstigen Faselstall in der Hintergasse kam alles zusammen. Außerdem lieferte das alte Haus mit seiner Geschichte gleich noch die Namen für die Biere. Sie heißen Merfeller Rammler und Zicklein, Weiße Stute oder Bullensaft und bieten Geschmackserlebnis jenseits von Pils und Export. 
Um wirtschaftlich produzieren zu können, bestellte Andreas Wohlsperger eine maßgeschneiderte Micro-Brauerei über das Internet aus China, die er genau auf seine Bedürfnisse anpassen ließ. Wird bei Faselbräu von morgens bis abends gearbeitet, können so bis zu 400 Liter Bier in den Tanks landen. 
Mit der Preispolitik großer Brauereikonzerne kann man in dieser Größenordnung nicht mithalten, weshalb für die Flaschen auch deutlich mehr hingelegt werden muss. Dafür bekommt man aber auch Aromen ins Glas, die man bei gewöhnlichen Bieren vergebens sucht.
Bei jüngeren Kunden kommen fruchtige Noten, Anklänge von Schokolade und wuchtiger Hopfen besonders gut an, erzählt der Braumeister. Wer zu den traditionellen Pils- und Exporttrinkern gehört, wird vom Geschmack womöglich überrascht. 
Der meiste Hopfen für die während der letzten sechs Jahre entstandenen und verfeinerten Rezepte kommt aus der bayrischen Holledau, dem weltweit größten zusammenhängend Hopfenanbaugebiet. Zwei Cousins haben hier einen Familienbetrieb übernommen und liefern den Rohstoff für Porter, German Pale Ale, gehopftes Weißbier und rauchiges Kellerbier. 
Auf einer Biermesse in Mainz schenkte Andreas Wohlsperger die Eigenkreationen erstmals aus, mittlerweile öffnet er regelmäßig zum Hofverkauf. 
Am liebsten würde der zweifache Vater seine Leidenschaft zum Beruf machen, und den Job bei einem großen Planungs- und Bauunternehmen aufgeben. Ist er dort für das Ausarbeiten digitaler Konzepte verantwortlich, so schätzt er am Brauen das handwerkliche Arbeiten. Egal ob Faselbräu irgendwann den richtigen Job ersetzen kann, in der Hintergasse wird weiter gebraut und dafür gesorgt, die Bierlandkarte abwechslungsreicher und vielfältiger zu gestalten. 

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