„Für sozialen Frieden notwendig“

Nur SPD und Grüne stimmen für den Haushalt – Diskussion ohne große Polemik

Mörfelden-Walldorf . Statt einem Beil hätten die Parlamentarier während der Haushaltsdebatte das Florett zur Hand genommen, resümierte der Kämmerer und Erste Stadtrat Franz-Rudolf Urhahn (Grüne) kurz vor der Verabschiedung des Haushaltes 2012. Doch trotz der verbalen Zurückhaltung lagen am Dienstagabend rot-grüne Koalition und Opposition mit ihrer Sicht der Dinge weit auseinander. Einen mangelnden Sparwillen beklagten CDU und FDP, während die Koalition aus SPD und Grünen ein Einnahmeproblem für den hohen Schuldenberg verantwortlich machte.

Auch wenn über die Ursachen geteilte Meinungen herrschten, war mit dem Defizit von 13,2 Millionen Euro keine Fraktion zufrieden. Der mit den Stimmen der rot-grünen Koalition verabschiedete Haushalt sieht für das nächste Jahr Ausgaben von rund 71,6 Millionen Euro vor. Auf der Einnahmenseite verbucht die Stadt knapp 58,4 Millionen Euro. Gegen den Etat stimmten CDU, DKP/Linke Liste und FDP. Der parteilose Volker Arndt enthielt sich.

Das Loch in der Stadtkasse sei ein hessisches Problem, betonte SPD-Fraktionsvorsitzender Behnam Yazdani, und gehöre zum Land wie der Bembel. In ganz Hessen kämen gerade einmal sechs Städte und ein Landkreis ohne Defizit aus. In Bensheim werde für 2012 mit 17,5 Millionen Euro neuen Schulden gerechnet, in Dreieich mit 11,8 Millionen Euro und in Bad Nauheim mit 7,5 Millionen Euro. „Wer also glaubt, das Defizit von Mörfelden-Walldorf sei hausgemacht, sollte sich zu Weihnachten einen Taschenrechner wünschen“, so Yazdani. Vor Ort würde nicht über die Verhältnisse gelebt, betonte er weiter. Die Ausgaben und Schulden der Stadt seien notwendig, um den sozialen Frieden zu erhalten.

Vier Weihnachtsmärchen machte CDU-Fraktionsvorsitzender Karsten Groß bei der rot-grünen Koalition aus. So sei es falsch, für das kommende Jahr von sinkenden Steuereinnahmen zu sprechen. Auch von einem Einnahmeproblem könne keine Rede sein. Drittens habe der Kämmerer die Haushaltsansätze gegenüber 2011 soweit erhöht, dass die Haushaltssperre über 15 Prozent keine Wirkung zeige. Schließlich sei es auch falsch, der CDU-geführten Landesregierung vorzuwerfen, sie ließe die Kommunen ausbluten. Die Doppelstadt könne sich im nächsten Jahr über eine Schlüsselzuweisung des Landes von 5,15 Millionen Euro freuen. „Insgesamt zu viele Märchen, zu viel Ablehnung echter Konsolidierung“, fasste Groß seinen Blick auf die Debatte um den Haushalt zusammen.

Die Zuwendung vom Land sei für das kommende Jahr nur so hoch angesetzt, weil sie davor so niedrig ausgefallen sei, argumentierte Richard Lehner, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Der CDU hielt er zugute, dass sie anders als bei der letzten Haushaltsberatung nicht weiter auf Kürzungen pochte. Die freiwilligen Leistungen der Stadt seien nicht nur für die Bürger unverzichtbar, sondern als weiche Standortfaktoren auch für Unternehmen interessant.

Die Koalition wolle daher das Schwimmbad, die Musikschule oder auch die hohe Qualität der Kindertagesstätten auf jeden Fall erhalten. Den Grund für das hohe Defizit sieht Lehner klar auf der Einnahmeseite, die aufgrund rückläufiger Steuereinnahmen Probleme mache.

„Der Haushalt ist ein politisches Papier, das zeigt, was sich Bürgermeister und Erster Stadtrat einfallen lassen um ihren Koalitionsvertrag ins Werk zu setzen“, kritisierte Gerd Schulmeyer, Fraktionsvorsitzender der DKP/LL. So stehe nicht hinter jeder Ausgabe ein Interesse am Gemeinwohl, sondern auch rot-grüne Parteipolitik. Trotzdem werde in der Doppelstadt nicht über den Verhältnissen gelebt. Anders als die CDU habe die Koalition zum Glück keine rein betriebswirtschaftliche Perspektive.

Auch Steffen Seinsche von der FDP warf Grünen und SPD Klientelpolitik vor und erklärte, die Koalition würde den schwarzen Peter immer nach Berlin oder Wiesbaden schieben. Mit neuen und höheren Gebühren und Steuern machten SPD und Grüne die Stadt kaputt und gäben unnötig Gelder für Lärm- und Radverkehrsbeauftragte oder ein Konzept für ein pädagogisches Zentrum aus. Diese Aufgaben müsste eigentlich die bestehende Verwaltung übernehmen, forderte Seinsche. Zum Sparen gebe es im Haushalt noch ordentlich Luft, erklärte er weiter.

„Allein mit Einsparungen können wir das Defizit nicht ausgleichen“, betonte Bürgermeister Heinz-Peter Becker (SPD) und attestierte der Landesregierung ein kommunalfeindliches Verhalten. Die höheren Schlüsselzuweisungen müsse man im Zusammenhang mit den 360 Millionen Euro sehen, die beim kommunalen Finanzausgleich gekürzt worden seien.

Bevor es zur Abstimmung über den Haushalt und die dazugehörigen mehr als 40 Anträge der Fraktionen kam, wies der Kämmerer darauf hin, dass etwa die Personalkosten der Stadt, die derzeit bei rund 20 Millionen Euro lägen, kontinuierlich anstiegen. Auch die Kreis- und Schulumlage sei angehoben worden. Weiter belaste die unvermeidliche Sanierung des Altenhilfezentrums mit zwei Millionen Euro die Stadtkasse. „Das alles frisst den größten Teil der Einnahmesteigerungen weg“, so Urhahn.

 Hinzu käme eine desaströse Vorschulpolitik der Landesregierung, weshalb die Stadt 70 Prozent der Kosten für die städtische Kinderbetreuung zahlen müsse, so der Kämmerer zum Abschluss der Haushaltsdebatte.

Dass diese so ruhig verlief, dürfte daran gelegen haben, dass die angekündigte Gebührenerhöhung für die Kinderbetreuung vom Magistrat zurückgezogen wurde. Wenn eine überarbeitete Gebührensatzung im nächsten Jahr auf der Tagesordnung steht, kann es dazu kommen, dass die Axt wieder das Florett in den verbalen Auseinandersetzungen ablöst. (seb)

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