„Am Ende steht alles leer“

Kunden sind verärgert, Netto weist Vorwürfe zurück

Mörfelden-Walldorf. Der Lebensmitteldiscounter Netto wehrt sich in einer Stellungnahme gegen Vorwürfe, er habe sich nicht an Umbaukosten für seine Filiale in der Bürgermeister-Klingler-Straße beteiligen wollen. Dem Supermarkt wurde zum Jahresende gekündigt, was bei Kunden und Anwohnern auf Kritik stößt.

In der letzten Woche hatte Bürgermeister Heinz-Peter Becker zur Netto-Schließung erklärt, es sei auch dazu gekommen, weil sich die Supermarkt-Kette nicht an nötigen Investitionen habe beteiligen wollen und keine höhere Mietzahlung in Aussicht gestellt habe. Die Netto-Pressestelle dementiert das nun. Schon im Sommer habe man Gespräche mit dem neuen Gebäudeeigentümer aufgenommen und ihm ein Umbaukonzept vorgestellt.
Denn dauerhaft möchte Netto die Filiale nur weiterführen, wenn es zu einer Modernisierung kommt. Aktuell genügten die Räumlichkeiten nicht den eigenen Ansprüchen, außerdem sei die Verkaufsfläche mit rund 500 Quadratmetern zu klein und der Zugang vom Parkplatz in den Markt umständlich, heißt es von der Pressestelle.
Für den Fall eines Umbaus habe man einen Mietvertrag mit einer neuen Laufzeit zu einer deutlich höheren Miete als bisher angeboten. Der Eigentümer habe sich die Pläne zwar angesehen, allerdings keine Rückmeldung gegeben. Die Kündigung zum Jahresende sei daher auch für Netto überraschend und bedauerlich.
Etwas heftiger fallen die Reaktionen aus, wenn man sich unter Kunden und Anwohnern umhört. „Das ist eine Sauerei“, meint der 59 Jahre alte Rainer Schmidt. „Hier gehört ein Lebensmittelgeschäft rein.“ Für ältere Menschen sei die Entfernung zum Tizianplatz, wo sich eine Rewe-Filiale befindet, eine Marathonstrecke, findet der Lkw-Fahrer. Schmidt wohnt selbst in der Nähe und schätzt den kurzen Weg zum Einkaufen. Noch hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich Eigentümer und Netto auf einen neuen Mietvertrag verständigen.
„Richtig ärgerlich ist es auch für den türkischen Imbiss und Feinkostladen“, sagt Brigitte Jakob. Erst vor knapp einem Jahr eingezogen, habe der Besitzer viel investiert und sei nun gekündigt worden. Die 36 Jahre alte Zahnarzthelferin fragt sich, was aus den Geschäftsräumen werden soll. „Was passiert jetzt wohl, am Ende steht alles einfach leer“, befürchtet sie.
Damit es nicht so kommt, liegt in der Filiale eine Unterschriftenliste aus, die bereits viele Kunden und Passanten ausgefüllt haben. „Ich glaube das bringt nicht viel“, kommentiert Athanasius Panidis die Aktion. „Die Entscheidungen werden in der Konzernspitze getroffen“. Für den 52-jährigen LSG-Mitarbeiter ist die Schließung kein großes Problem, mit dem Auto kommt er schnell zu einem anderen Lebensmittelmarkt. „Ohne Auto geht es heute nicht mehr.“
Für Sonja Törner passt die Schließung ins Bild, denn immer mehr Einzelhändler in Mörfelden-Walldorf machen ihre Geschäfte zu, stellte die 63 Jahre alte Rentnerin fest. „Es geht keiner dort einkaufen und wenn sie zumachen wird gemeckert“, findet Törner, die ihrem Bäcker und Metzger die Treue hält.
Auch Ellen Gerloff kritisiert die Einkaufssituation. „Es gibt kaum noch attraktive Geschäfte“, sagt die 61-jährige Friseurin. Bei Lebensmitteln sehe es noch gut aus, bei allem anderem weniger. Um die Kündigung des Netto-Markts zu verhindern wünscht sie sich ein stärkeres Engagement der Stadt.
Von der Schließung überrascht wurde die Hundeverhaltenstherapeutin Petra Jung. Die Filiale sei gut besucht gewesen, Anwohner hätten die unkomplizierte Einkaufsmöglichkeit zu schätzen gewusst, berichtet die 40 Jahre alte Selbstständige. „Es schließt aber immer mehr“, sagte sie mit Blick auf die Buchhandlung Giebel. (seb)

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