Eltern gehen auf die Barrikaden

Kita-Gebührenerhöhung sorgt für Ärger – Gegenvorschlag: Maximal zehn Prozent

Mörfelden-Walldorf. In zwölf Tagen muss das Stadtparlament über die Einführung einer einkommensabhängigen Gebührenerhöhung für die städtischen Kindertagesstätten entscheiden. Eine Kostenübersicht mit den teils stark angehobenen Gebühren findet sich aber schon jetzt auf der Homepage der Stadt. „Mein Demokratieverständnis hat schon einen Knick bekommen“, sagt Ina Mack, stellvertretende Vorsitzende des Stadtkitabeirats, die nicht nur wegen der Vorabveröffentlichung im Internet gegen die neue Gebührenordnung Sturm läuft.

Gemeinsam mit der Vorsitzenden des Stadtkitabeirats, Stefanie Bruch, musste sie zuletzt einige Nachtschichten absolvieren, um alle Anfragen von verunsicherten und verärgerten Eltern per E-Mail beantworten zu können.
Angesichts der Gebührenerhöhung stelle sich die Frage, ob sich Mörfelden-Walldorf zukünftig überhaupt noch Kinder leisten möchte, oder ob die Sanierung der Kommune im Vordergrund steht, erklärte Bruch gegenüber dem Freitags-Anzeiger. Für Besserverdienende ab einem Bruttomonatseinkommen der Familie von über 8000 Euro erhöhten sich die Gebühren beispielsweise für einen Krippenplatz um knapp 100 Prozent und lägen damit bei etwa 750 Euro im Monat, rechneten Bruch und Mack aus.
Neben einer allgemeinen Gebührenerhöhung bei den Kita-Plätzen um zehn Prozent kommt auf die Eltern ein weiterer gehaltsabhängiger Aufschlag von fünf bis 50 Prozent hinzu. Wie in der Magistratsvorlage zu lesen ist, erhöhen sich die Gebühren ab einem Bruttofamilieneinkommen von mehr als 3000 Euro um zusätzlich 20 Prozent. Durch die neue Gebührenstruktur erwartet die Stadt Mehreinnahmen von rund 250 000 Euro. Damit diese Summe zusammenkommt, müssen Eltern zukünftig deutlich tiefer in die Tasche greifen. Für die mittleren Gehaltsstufen sieht die neue Gebührensatzung einen Anstieg um rund 30 Prozent vor. Weiter wird der monatliche Essensbeitrag um fünf auf 60 Euro erhöht. Im regionalen Preisvergleich mit anderen Kommunen liege Mörfelden-Walldorf nach der Gebührenerhöhung auf dem Spitzenplatz, sagt Mack. Ein Krippenplatz koste das 3,8-fache eines Platzes in Frankfurt.
Sollte eine einkommensabhängige Gebührenerhöhung verabschiedet werden, müsse die Anzahl der Familienmitglieder berücksichtigt werden, fordert der Beirat. In anderen Kommunen sei es üblich, dass sich die Gebühren danach richten, für wie viele Familienmitglieder Lebenshaltungskosten aufgebracht werden müssen. Auch dürfe nicht das vorletzte Kalenderjahr zur Beitragsbemessung herangezogen werden, da die Einkommen der Eltern vor der Geburt oft höher ausfielen.
Dass durch die höheren Gebühren eine Gehaltssteigerung der Erzieherinnen finanziert werden soll (wir berichteten), halten Bruch und Mack für ein vorgeschobenes Argument. Gleichzeitig machen sie aber klar, dass sie hinter den Erzieherinnen stehen und die Gehaltssteigerung befürworten. In den letzten Jahren seien immer wieder Vorschläge gemacht worden, wie sich in den Kitas Kosten einsparen ließen und die Erzieherinnen entlastet werden könnten, betont Bruch. Auch den letzten Streik der Erzieherinnen habe man unterstützt.
Einer moderaten Anhebung der Kita-Gebühren stehe der Beirat aufgeschlossen gegenüber. Allerdings dürfe nicht das Bruttoeinkommen für die Festlegung der Gebühr herangezogen werden. Stattdessen solle das tatsächlich zu versteuernde Einkommen oder das Nettoeinkommen zur Beitragsbemessung dienen, heißt es in einer Stellungnahme des Beirats, die sich an den Ersten Stadtrat und Sozialdezernenten Franz-Rudolf Urhahn richtet und dem Freitags-Anzeiger vorliegt.
Darin wird weiter vor einem unverhältnismäßigen administrativen Aufwand gewarnt. So sieht die neue Gebührenordnung zwölf Gehaltsstufen vor, nach denen die Gebühren berechnet werden. Alle Eltern wären demnach verpflichtet, ihre Einkünfte offen zu legen.
Eine Gebührenerhöhung wirkt sich nicht allein auf die städtischen Kitas aus. Wie Angelika Menzel, Vorsitzende des Kirchenvorstands der evangelischen Gemeinde Walldorf, bestätigt, sind die Gebühren der konfessionellen Kindergärten an die der städtischen gekoppelt. Der Kitabeirat befürchtet daher einen allgemeinen Anstieg der Gebühren, nicht nur bei den Kirchen, sondern auch bei privaten Betreuungseinrichtungen.
Dass die Gebührenerhöhung gerade jetzt verabschiedet werden soll, sorgt bei dem Beirat für zusätzlichen Ärger. So würden aktuell Elternbeiratswahlen durchgeführt, weshalb einige Kitas keine Elternvertretung hätten, andere Eltern sich erst noch einarbeiten müssten. In der Stellungnahme des Stadtkitabeirats wird der Stadt vorgeworfen, diese Situation auszunutzen, um den Widerstand der Eltern möglichst gering zu halten.
Als Kompromiss schlägt der Beirat eine Gebührenerhöhung von maximal zehn Prozent für alle Eltern vor. Ohne jeglichen Zusatzaufwand für die Verwaltung ließen sich im nächsten Jahr so Mehreinnahmen von rund 100 000 Euro erzielen. Durch ein effizienteres Platzvergabeverfahren, optimiertes Mittagessen und eine Entlastung der Erzieherinnen und Kitaleiterinnen von pädagogisch nicht relevanten Arbeiten könne die Stadt zusätzliches Geld einsparen. (seb)

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