„Die DNA des Widerstands“

Buchprojekt dokumentiert 50 Jahre Protest gegen den Ausbau des Flughafens

Den ersten Band des Buches „50 Jahre Protest gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens“ präsentierten im Rathaus Walldorf unter anderem Dirk Treber, Wilma Frühwacht-Treber, Siggi Liersch und Walter Keber (von rechts). (Foto: Schwappacher)

Mörfelden-Walldorf. Der Protest gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens hat die Region geprägt und Lebensläufer vieler Menschen entscheidend beeinflusst. Und auch wenn einst das Versprechen abgegeben wurde, dass für den Ausbau kein Baum mehr fallen soll, dürfte es nach der Eröffnung des dritten Terminals mit der Flughafenerweiterung weitergehen.

Eine umfassende Geschichtsschreibung, die den Protest für zukünftige Generationen aufarbeitet, war daher längst überfällig. Walter Keber, Wilma Frühwacht-Treber und Dirk Treber haben sich als Herausgeber der Aufgabe gestellt. Ihr Buchprojekt „50 Jahre Protest gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens“ präsentierten sie am Montag im Rathaus Walldorf. Gemeinsam mit einigen der insgesamt 32 Autoren gaben die drei Chronisten des Widerstands einen Einblick in das rund 360 Seiten starke Buch und kündigten neben einem zweiten Band gleich weitere Veröffentlichungen an.
„Es geht verloren, wenn es niemand macht“, erklärte Wilma Frühwacht-Treber die Motivation der Herausgeber. Viele von denen, die einst gegen die Startbahn West in den Wald gingen, sind heute nicht mehr bei den Protesten dabei. Andere, die montags regelmäßig ins Terminal kommen, wissen zu wenig von der Geschichte des Protests, berichtete Frühwacht-Treber. Dabei könnten die beiden Generationen viel voneinander lernen.
„Wir wollen keine Nostalgieveranstaltung oder einen verklärten Rückblick“, betonte Walter Keber. Stattdessen gebe es kritische Positionen und unterschiedliche Standpunkte. Keinem der Autoren redete man in ihre Texte hinein. Da das Projekt ohne Zuschüsse und Sponsoren auskam, konnte das Buch mit einem großen Maß an Freiheit entstehen, sagte Keber weiter.
Wie breit die Protestbewegung einst war und welche konträren Positionen von den Herausgebern zusammengetragen wurden, zeigte sich schnell und deutlich, als die Autoren zu Wort kamen. Auf die Ausführungen eines überzeugten Pazifisten folgte der Standpunkt eines ehemaligen Autonomen. In dem Band sind Texte zu den tödlichen Schüssen auf Polizisten vom November 1987 zu finden, aber auch Abhandlungen zu den Auswirkungen des Protests auf das Parteiensystem und der Rolle von Gewerkschaften und Kirchen. „Wir haben viele Themen und Bereiche herausgegriffen“, erläuterte Dirk Treber.
„Das Buch ist die DNA des Widerstands“, fasste Autor Achim Weidner zusammen. Der Blick auf die Geschichte sei richtig und wichtig, allerdings müsse Protest heute anders angegangen werden. Unter den Vorzeichen moderner Kommunikationswege und der Globalisierung seien neue Formen und Inhalte gefragt. „Ich habe das Buch in einem Stück gelesen. Es zeigt, was damals alles möglich war, aber auch, was nicht machbar war“, erklärte Autor Jürgen Martin. Viele der Fragen von damals beschäftigten ihn noch heute. Dabei habe er durch die Erfahrung im Wald, auf Demos und durch die Organisation der Proteste mehr gelernt als in machen Universitätsseminaren.
Mit Blick auf die damaligen Proteste, ließen sich die Menschen heute zu viel gefallen und seien nicht aktiv genug, sagte Landrat Thomas Will (SPD), der zur Vorstellung ins Rathaus gekommen war. „Die Flamme des Protest soll nicht erlöschen“, erklärte Erster Stadtrat Franz-Rudolf Urhahn (Grüne). Allen, die sich später dem Widerstand gegen den Flughafenausbau anschlossen, biete das Buch eine Fülle an Informationen, so Urhahn.
Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte sind reichhaltig und es war nicht einfach, sie in dem Band zu komprimieren. „Ich habe keinen Redaktionsschluss eingehalten“, musste Frühwacht-Treber eingestehen. Aus einem für zwei Seiten geplanten Text wurden schnell acht Seiten, und am Ende musste das Buch in zwei Bände aufgeteilt werden.
 Zu Ostern soll es die nächste Veröffentlichung geben, die schwerpunktmäßig die letzten Jahre behandelt. Norah-Studie, Südumfliegung und Auswirkungen von Freihandelsabkommen werden thematisiert. Und auch danach soll es weiter gehen. „Wir haben noch viele Ideen für die Zukunft“, kündigte Frühwacht-Treber an. Sonderbände zur Musik der Protestbewegung und den unterschiedlichen Demonstrationsrouten sind bereits angedacht.
Der erste Band umfasst 358 Seiten, kostet 24,95 Euro und ist im „Mainbook“ Verlag Frankfurt erschienen. Das E-Book ist für 18,99 Euro zu haben. An den Verkäufen verdienen Autoren und Herausgeber nichts. (seb)

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