Am Dalles schlägt das Herz der Kerb

Kaiserwetter zum Jubiläum – Rückkehr des Volksfests in die Ortsmitte ist eine Erfolgsgeschichte

MIT SCHWUNG und vereinten Kräften wurde der Mörfelder Kerwebaum in die Senkrechte gewuchtet. (Foto: Friedrich)

Mörfelden-Walldorf (ula). Wenn die Ernte eingebracht war, wurde das Kirchweihfest gefeiert. Immer um den St. Gallustag, immer mit Mann und Maus und mitten im Ort.

 

So ist es bis heute: Die Merfeller Kerb ist das größte Heimatfest. Speziell am Samstag zieht das Großereignis Tausende auf die Straßen und auf den Dalles – dort, wo das Herz der Kerb schlägt. Dort endet der Festumzug, dessen illustres Völkchen sich nach zwei Stunden Fußmarsch oder bequemem Ritt auf dem Umzugswagen in einen Feierrausch gesteigert hat.
Hier wartet der Rummelplatz, der Kerwebaum wird sogleich in die Höhe gewuchtet, und Kerwevadder Dennis Schulmeyer schart seine Truppe um sich. Die 20. Kerb auf dem Dalles ist ein Heimatfest mit Tradition, bewährter Choreographie und moderner Technik, das den ganzen Ort auf die Beine bringt.
Doch wer zwei, drei Jahrzehnte zurückdenkt, weiß um das triste Gesicht der Kerb. Als sie an Attraktivität einbüßte, der Rummelplatz an die Peripherie verdammt war und die Kerwe-Verbündeten ein kleiner, verschworener Haufen waren. Erst mit der Gründung des Kerwevereins wurde die Renaissance des Fests eingeleitet und mit ihrer Rückkehr auf den Dalles der Aufschwung zu alter Größe.
Die Kleinkinder, mit strahlenden Augen im knallbunten Karussell vorm Kulturhaus thronend, wissen nichts vom damaligen Kraftakt, die Kerb zurück an den Ursprungsort zu holen. „Ein großes Hindernis war die Skepsis der Anwohner“, erinnert sich Schausteller Wenzel Hausmann (66), der an der Seite von Kerwe- und Heimatverein, Gewerbeverein und Freitags-Anzeiger um die Rückkehr an den Dalles kämpfte.
Bürgermeister Heinz-Peter Becker, damals noch als Stadtverordneter der SPD im Parlament, sticht unterdessen das Fassbier an. Freibier wird reihum verteilt, ein großes Hallo auf der Empore des Kulturhauses beginnt. Die Merfeller Kerweborsch haben die Walldorfer Kollegen ausgemacht. Frotzeleien werden singend ausgetauscht, so wie eh und je.
„Die Sperrung der Bundesstraße, die quer durch Mörfelden läuft, war für meinen Vorgänger Bernhard Brehl ein Grund für Skepsis“, so Becker. „Und das Geld“, erinnert sich Stadtrat Kurt Best.
Bis heute ist die Sperrung des Dalles eine Herausforderung. Mit 10 000 Euro schlägt das zu Buche, und wenn das Ordnungsamt alles abriegelt, kommt es durch uneinsichtige Verkehrsteilnehmer auch zu kniffligen Situationen.
Dennoch: Die Rückkehr der Kerb ist eine Erfolgsgeschichte. „Als wir uns gegründet haben, wurde uns eine Lebensdauer von drei Jahren prophezeit“, so Ulrich Sensche, ehemals Chef des Kerwevereins. Nicht nur der Trägerverein ist noch da, auch seine Aktiven haben durchgehalten, um das Gründungsziel durchzuboxen: die Rückkehr der Kerb.
„Drei Jahrzehnte Erfahrung“, beschwichtigt Sensche nun besorgte Zuschauer, als der Kerwebaum mit großem Hauruck und leichter Schieflage empor gezogen wird. Minuten später steht die 17 Meter hohe Fichte, nur die Kerwebobb baumelt etwas unglücklich vornüber.
Der Rummelplatz ist dicht gefüllt mit Menschen, die sich vor Buden drängen, Karussells und Biertischgarnituren bevölkern. Kaiserwetter herrscht zur Merfeller Kerwezeit, die tags zuvor die Rockband Orange Box mit rund 500 Fans zünftig einläutete.
„Das ist schon ein ganz anderes Ambiente als die Asphaltkerb am Festplatz“, Schausteller Patrick Hausmann (31) hat jene Zeit als Knirps in Erinnerung: „Heute identifizieren sich die Mörfelder wieder mit ihrem Fest.“
Trotzdem gibt es Zukunftssorgen. Etwa um den Kerwebaum, dessen Art, so der Rathauschef, vom Klimawandel unmittelbar bedroht sei. Und die Walldorfer Kerb, die nur eine Woche nach dem Merfeller Fest gefeiert wird. Denn als fieses (Wetter-) Omen hängt Frau Holle vom Kerwebaum – gut, dass die Kerwebobb Schlagseite hat und aus dieser Position kaum das Schneekissen über dem Nachbarort auskippen kann.
Kerwevadder Dennis Schulmeyer sprach in seiner Kerweredd’ übrigens auch die Feuerwehrfrage an: „Ich hätt mer gewünscht, dass mehr gesproche werd, unn dass net die Politik so blind da los irrt. Die Feierwehr soll, egal wie entschiede, z’samme mit de Politik en gemeinsam Plan schmiede!"

 

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