Bürgermeister kritisiert Ausbaugröße der Mörfelder Kläranlage

CDU-Fraktion will bei Sitzungen der Betriebskommission pausieren

Streitpunkt Kläranlage: Im Vorfeld der Stadtverordnetensitzung am Dienstag, 3. November, gehen sowohl Bürgermeister Thomas Winkler und der Erste Stadtrat Burkhard Ziegler, als auch die Fraktionen im Hinblick auf den Ausbau sowie die Sanierung der Kläranlage und der damit verbundenen Kostensteigung auf Konfrontationskurs. (Archivfoto: Friedrich)

Mörfelden-Walldorf (fa).  „Die Verantwortung liegt nun beim Stadtparlament“, betont Bürgermeister Thomas Winkler (Grüne) seine Position in Sachen Kläranlagensanierung in einer schriftlichen Mitteilung. „Die Kosten für die Modernisierung der Mörfelder Kläranlage haben sich zuletzt extrem erhöht. So hatte das Parlament Aufträge für den nächsten Bauabschnitt vergeben, die 22 Prozent über der Kostenprognose von 2018 liegen“, sagt Winkler.

Der Bürgermeister hatte gegen die Aufträge mit einem Volumen von 15 Millionen Euro Widerspruch eingelegt, der allerdings nur eine aufschiebende Wirkung hat. Winkler: „Stimmt das Parlament Anfang November erneut der Vergabe zu, ist der Beschluss bindend und die Baufirmen bekommen den Zuschlag.“ Auslöser des Widerspruchs waren die Ergebnisse der Ausschreibungen für den nächsten Bauabschnitt. Bis zum September 2020 habe es laut Winkler keinen Hinweis gegeben, dass der Kostenrahmen überschritten wird. „Als der Betriebskommission am 2. September die Ergebnisse der Ausschreibungen erstmals vorgelegt wurden, verteuerte sich das Gesamtprojekt um 4,1 Millionen Euro“, erklärt Winkler.

Winkler: Ausbaugröße führt zu Mehrausgaben

„Die immer weiter steigenden Baukosten bei der Kläranlage kann niemand mehr verstehen. Wir müssen dringend auf die Bremse treten“, fordert der Bürgermeister. Gingen die Stadtwerke 2016 noch von rund 30 Millionen Euro Gesamtkosten aus, seien es mittlerweile gut 50 Millionen Euro. Dabei seien noch nicht alle Bauarbeiten des Großprojekts vergeben und die Kosten könnten weiter ansteigen. „Solange eine Mehrheit im Parlament den aktuellen Sanierungskurs befürwortet, wird es aber keine Kurskorrektur geben“, schreibt Winkler. 
Ein großes Problem der aktuellen Planung ist die Ausbaugröße. Diese führe laut Winkler an vielen Punkten zu einer Verteuerung und unverhältnismäßigen Mehrausgaben. Werde an der bisherigen Ausbaugröße festgehalten, müssten Bauteile auf diese Planung ausgerichtet werden, was die gesamte Anlage verteuere. „Die Größe von 56 000 Einwohnerwerten muss dringend reduziert werden“, sagt Winkler. „Im Parlament möchte die Koalitionsmehrheit davon aber nichts hören und hält eisern an der überdimensionierten Planung fest. Daher macht es keinen entscheidenden Unterschied, wer die Verantwortung für Stadtwerke und Kläranlagensanierung trägt“, sagt der Bürgermeister mit Blick auf den zuständigen Dezernenten Burkhard Ziegler.

Grünen: Bankrotterklärung des Ersten Stadtrats 

Dieser hatte kürzlich von sich aus angeboten, die Verantwortung für das Bauprojekt abzugeben. „Sollte es eine Umverteilung der Dezernate geben, dann nach der Kommunalwahl“, macht der Bürgermeister deutlich. Derzeit sei ein solcher Schritt nicht zielführend, denn es brauche immer eine Mehrheit im Stadtparlament, um etwas verändern zu können. Zuvor hatte sich der Vorstand des Grünen-Ortsverbandes geäußert: „Dass der Erste Stadtrat jetzt Teile seines Dezernats abgeben möchte, ist eine Bankrotterklärung“, heißt es in einer Pressemitteilung. Trotz mehrfacher Umorganisation auf der Führungsebene der Stadtwerke sei es Ziegler nicht gelungen, das Projekt auf eine sichere Basis zu stellen. Die Kosten für die Kläranlage seien völlig aus dem Ruder gelaufen und es sei zu befürchten, dass sie noch weiter steigen. Am Ende stehe, laut einer Prognose von 2018, ein Abwasserpreis von mindestens fünf Euro pro Kubikmeter, erklären die Grünen. Sie fordern daher „eine kritische Überprüfung der bisherigen Planung und eine gründliche Kostenkontrolle“. 
Derweil hat die CDU-Fraktion beim Thema Kläranlage weitere Konsequenzen angekündigt: „Wir werden an den Sitzungen der Betriebskommission bis zum Ende dieser Wahlzeit Ende März 2021 mit dem Vertreter der CDU-Fraktion nicht mehr teilnehmen“, sagt der Vorsitzende Karsten Groß in einer Pressemitteilung. „Nachdem es der Koalition beliebte, die Wahl eines sachkundigen Bürgers in die Betriebskommission der Stadtwerke zu verweigern und damit Bürgerbeteiligung im wichtigen Projekt der Kläranlage zu behindern“, ziehe die CDU-Fraktion weitere Konsequenzen. „Es macht bei der aktuellen Praxis des Ersten Stadtrats keinen Unterschied, ob da kritische Stimmen nicht öffentlich am Tisch sitzen oder nicht – echte und inhaltliche Beratung fand und findet in der Betriebskommission nicht statt“, ergänzt Michael Hagspihl, Vertreter der CDU-Fraktion in der Betriebskommission.

CDU: Niemand kann sagen, Baugebiete Realität werden

„Der Erste Stadtrat und Kläranlagendezernent muss sich entscheiden, wie er Zahlen für sein Mega-Projekt nutzt“, ergänzt Holger Höflein, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union in Mörfelden-Walldorf. Sein jüngstes Pressegespräch habe da weiter zur Unklarheit beigetragen: „Da erklärt Herr Ziegler der Öffentlichkeit, dass man 56 000 Einwohnerwerte (EW) als Bemessungsgröße für die Kläranlage brauche – allein um neue Bau- und Gewerbegebiete sowie Innenstadtverdichtung abzubilden; das ist nachweislich falsch, auch auf Basis seiner eigenen Zahlen“, stellt Groß klar. „In den 56 000 EW – wenn man diese Zahl denn akzeptieren wolle – sind nach allen bisherigen Kalkulationen 3000 EW für neue, maximal große Baugebiete und 400 EW für Gewerbegebiete enthalten, aber auch noch eine deutlich größere Reserve von 5100 EW“, berichtet Höflein. 
Hintergrund sei, dass niemand sagen könne, in welcher Größenordnung und zu welchem Zeitpunkt diese Baugebiete überhaupt Realität werden. „Aber die Kläranlage bauen wir, inklusive einer unnötigen Reserve, schon mal für diese ferne Zukunft – die letzten beiden Baugebiete, Plassage/Lange Äcker und Walldorfer Weg, haben über 20 beziehungsweise zehn Jahre Planungs- und Realisierungszeit gebraucht“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende. Zudem sei da noch „eine wichtige Unklarheit im Blick auf eine Bemessungsgrenze von 50 000 EW beim Bau von Kläranlagen. Baut man größer als diese Grenze, nimmt man weitere Auflagen in Kauf, die im Falle von Mörfelden-Walldorf noch niemand eingepreist hat“, sagt Höflein.
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